Der Geek-Atlas (German Edition)
Informationen zur Skulptur und der eingesetzten Kryptographie bietet die Website von Elonka Dunin
unter http://www.elonka.com/kryptos/ .
Kapitel 122. Shot Tower Historical State Park, Austinville, VA
36° 52′ 8.52″ N, 80° 52′ 14.27″ W
Die Wissenschaft des Einfachen
Einige der einfachsten Dinge stecken voller interessanter Wissenschaft. Nehmen wir zum Beispiel die Herstellung von Bleischrot.
1782 ließ sich ein Brite namens William Watts eine Methode zur Herstellung von Bleischrot patentieren, bei der geschmolzenes
Blei durch ein Kupfersieb gegossen wurde und dann eine lange Strecke im Fall zurücklegen musste, bevor es in einem Wasserbecken
abgekühlt wurde.
Eigens für diesen Zweck baute Watts einen Turm im englischen Bristol und machte sich an die Arbeit. Dieser Turm ist längst
Geschichte, doch andere, die aus demselben Grund errichtet wurden, stehen noch und zeugen auf dem gesamten Globus, von Melbourne
bis Virginia, von einer wirklich einfachen Technik, hinter der aber sehr viel Wissenschaft steckt.
Natürlich war Watts weniger an der Wissenschaft, als am Ergebnis interessiert. Doch wenn man gefragt hätte: »Wie funktioniert
das?«, dann wären bei der Antwort Themen wie Oberflächenspannung, intramolekulare Kräfte und Endgeschwindigkeit angesprochen
worden. Doch bevor Sie sich mit diesen Themen befassen, sollten Sie sich den immer noch vorhandenen Turm im Shot Tower Historical
State Park in Virginia ansehen.
Der Turm wurde 1807 gebaut und hat eine ungewöhnliche Form – er ist fast 23 Meter hoch und darunter befindet sich ein Schacht,
der den Fall des Bleis noch einmal um 23 Meter verlängert. Am Boden des Schachts befand sich ein Wasserkessel, der mit einer
horizontalen Welle verbunden war, die vom nahen New River angetrieben wurde (über den praktischerweise auch die Wasserversorgung
des Kessels erfolgen konnte).
Der Turm befindet sich im State Park. Für ein kleines Entgelt können Sie ihn besteigen und sich ansehen, wo Arbeiter geschmolzenes
Blei eingefüllt haben, um Schrot herzustellen. Oben angelangt, können Sie sich mit den folgenden wissenschaftlichen Fragestellungen
beschäftigen.
Warum wird ein Sieb aus Kupfer verwendet? Die Antwort ist einfach: Der Schmelzpunkt von Kupfer liegt bei 1084°C, der von Blei
bei 327°C. Geschmolzenes Blei bringt also das Kupfersieb nicht zum schmelzen. Wolfram hat sogar einen noch höheren Schmelzpunkt
(3422°C), doch Kupfer ist in deutlichen größeren Mengen vorhanden.
Warum funktioniert das Verfahren überhaupt? Wenn geschmolzenes Blei durch das Sieb fließt, bilden sich dünne Ströme wie beim
Wasser, das aus dem Wasserhahn fließt. Während das Blei fällt, reißen die dünnen Ströme und es entstehen Tröpfchen. Diese
Tröpfchen werden aufgrund der Oberflächenspannung rund. Die Oberflächenspannung wird durch die intramolekularen Kräfte zwischen
den Bleimolekülen verursacht.
Die Kräfte wirken gleichmäßig in allen Richtungen, nur nicht an der Oberfläche des Tropfens. Dort können sie nur an der Oberfläche
wirken. Durch dieses gleichmäßige Ziehen wird eine Kugel erzeugt.
Warum teilt sich der Bleistrom überhaupt in Tröpfchen auf? Erneut spielt die Oberflächenspannung eine Rolle. Der britische
Wissenschaftler Lord Rayleigh und der belgische Wissenschaftler Joseph Plateau fanden in den späten 1800ern heraus, dass eine
kreisförmige Säule fallenden Wassers zu Tropfen zerfällt, wenn die Länge ihren Umfang übersteigt. Während das Wasser fällt,
werden alle Schwachstellen, die verhindern, dass ein perfekter Zylinder entsteht, durch die Oberflächenspannung verstärkt.
Rayleigh und Plateau zeigten, dass die Schwachstellen mit der Zeit eine Welle auf der fallenden Wassersäule bilden, die immer
weiter anwächst, bis die Säule zu Tröpfchen zerfällt. Dies wird als Rayleigh-Plateau-Instabilität bezeichnet und ist der Grund,
warum Wasser und eben auch Blei in gleich große, der Wellenlänge entsprechenden Tropfen zerfallen.
Wie schnell ist das Schrot, wenn es auf das Wasser trifft? Wenn Materie (Bleischrot, ein Fallschirmspringer etc.) durch die
Luft fällt, erreicht sie irgendwann eine konstante Geschwindigkeit und beschleunigt nicht mehr. Die Gravitation wirkt immer
noch auf den fallenden Körper, doch dem wirkt der Luftwiderstand entgegen.
Durch die Luft fallende Materie unterliegt einer durch den Luftwiderstand verursachten aufwärts wirkenden Kraft, die proportional
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