Der Gefangene von Zhamanak
der sich alle paar Stufen mit der freien Hand das schmerzende Schienbein rieb. Auf dem dritten Stockwerk angekommen, tastete sich Mjipa an der Wand entlang, bis er die Tür der leerstehenden Werkzeugkammer fühlen konnte. Er schob Isayin zur Seite und öffnete die Tür. Das Licht, das durch ein scheibenloses, viereckiges Fenster im Mauerwerk hereinfiel, war besser als das im Treppenschacht.
»Da wären wir«, sagte Mjipa. »Ihr habt Nahrung für einen Tag, einen Hammer und einen Keil, um die Tür zu sichern. Treibt den Keil zwischen Tür und Fußboden, damit niemand die Tür aus Zufall oder in einem Anfall von Neugier von außen öffnen kann. Auf der Innenseite gibt es keinen Riegel.
Wenn Ihr Euch still verhaltet, ist es sehr unwahrscheinlich, dass Euch jemand entdeckt. Gebt mir den Umhang!
Wenn alles gut geht, hole ich Euch morgen Nacht ab und bringe Euch aufs Schiff.«
»Warum habt Ihr mich denn nicht direkt zum Schiff gebracht?«
»Weil das Schiff erst übermorgen ausläuft.«
»Könntet Ihr nicht den Kapitän bestechen, dass er mich an Bord versteckt?«
»Und was, wenn er den Palast benachrichtigen würde, bevor oder nachdem er sich mein Geld in die Tasche gesteckt hat? Je mehr Personen von der Sache wissen, desto größer ist die Gefahr des Verrats.
Außerdem ist es bekannt, dass Meisterin Dyckman und ich planen, mit der Tarvezid zu segeln. Wenn der Palast Euer Verschwinden entdeckt, ist das Schiff einer der ersten Orte, an denen er nach Euch suchen wird.« Als der Kalwmianer den Mund aufmachte, als wollte er einen neuen Einwand erheben, fuhr Mjipa mit fester, leicht erhobener Stimme fort: »Haltet Euch an die Anweisungen. Bleibt vom Fenster weg. Vermeidet jedes unnötige Geräusch!«
Mjipa spähte durch das Fenster nach draußen. Die beiden Wächter waren noch immer damit beschäftigt, die Reste des Feuers auszutreten. Der Konsul verließ die Werkzeugkammer, schloss die Tür hinter sich und stieg die dunkle Treppe wieder hinunter. Unten angekommen, öffnete er die Eingangstür einen Spalt, um sich zu vergewissern, ob die Wächter nicht schon wieder ihren Posten eingenommen hatten. Dann schlüpfte er hinaus, schloss die Tür wieder zu und rannte, bis er außer Sichtweite war.
Diesmal schaffte er es, zum Gasthof zurückzufinden, ohne sich unterwegs zu verlaufen. Aber er hatte das unangenehme Gefühl, als folgte ihm jemand. Mehrmals glaubte er, Schritte hinter sich zu hören; doch wenn er stehen blieb und, die Hand am Schwertgriff, um sich spähte, verstummten die geisterhaften Schritte sofort. Schließlich sagte er sich, dass es bloß das Echo seiner eigenen Schritte sei, die an den Häuserwänden widerhallten, und dass ihm seine gespannten Nerven vorgaukelten, es seien die eines Verfolgers. Trotzdem wurde er das Gefühl nicht ganz los und drehte sich alle paar Hausecken um.
Als er an Irants’ Gasthof ankam, begann der Himmel schon heller zu werden. Er hatte den Gasthof kaum betreten, als ein aufgeregter Irants ihm entgegengelaufen kam, eine nicht minder aufgeregte Alicia im Schlepptau. Beide redeten gleichzeitig auf Khaldoni und auf Englisch auf ihn ein, bis Mjipa rief: »Bitte, bitte! Nur einer auf einmal. Du zuerst, Lish.«
»Wir hatten eine schreckliche Nacht«, sprudelte sie hervor. »Es war kurz nach Mitternacht, als plötzlich eine ganze Bande – wahrscheinlich dieselbe, die schon in Yein nach uns gesucht hat – hereingeplatzt kam.«
»Fürwahr, ’s waren Zhamanakianer!« warf Irants ein. »Splitternackt und kahlgeschoren, und sie sprachen mit diesem üblen Akzent.«
»Wie viele?« fragte Mjipa.
»Vielleicht fünfzehn oder zwanzig«, sagte Irants. »Ich sah sie nie alle auf einmal, so dass ich ihre Gesamtstärke nur grob zu schätzen vermag.«
Alicia fuhr fort: »Sie sagten Irants, sie wären auf der Suche nach einem Terranerpaar, und gaben eine Beschreibung ab, die auf uns passte. Er verneinte, uns gesehen zu haben …«
»Vielen Dank«, sagte Mjipa, an Irants gewandt. »Ich werde mich daran erinnern, wenn wir unsere Rechnung bezahlen.«
»… und schickte seine Tochter hoch, um mich zu warnen. Ich befahl Minyev, meine Sachen in dein Zimmer zu schaffen und ihnen zu erzählen, er wäre ein fahrender Hausierer. Eliuv – das ist die Tochter – ließ mich dann durch eine Falltür auf den Speicher.
Kurz darauf hörte ich sie dann unten herumtrampeln und brüllen und schwören, sie würden den Geruch der Terraner wittern. Ich glaube, ich hörte auch die Stimme von Verar, diesem
Weitere Kostenlose Bücher