Der Gefangene
Roy wieder in Ada war, rief ihn einer der Trainer der Oakland Athletics an. Man mache sich Sorgen wegen Rons Lebenswandel nach den Spielen - lange Nächte, zu viel Alkohol mit anschließendem Kater. Der Junge treibe es etwas zu bunt, was für einen Neunzehnjährigen während seiner ersten Saison nichts Ungewöhnliches sei, aber vielleicht könne ihn ein strenges Wort des Vaters zur Räson bringen.
Ron telefonierte ebenfalls. Als er auch im weiteren Verlauf des Sommers kaum spielte, ärgerte er sich über Trainer und Funktionäre. Er glaubte, zu selten zum Einsatz zu kommen. Wie sollte er seine Form steigern, wenn sie ihn auf der Bank sitzen ließen? Er entschied sich für die riskante und selten angewandte Strategie, seine Trainer zu übergehen und sich direkt in der Geschäftsstelle der Oakland A's zu melden, um seine Beschwerden loszuwerden. Das Leben in den Minor Leagues sei elend, er komme einfach nicht oft genug zum Einsatz. Die hohen Tiere, die ihn verpflichtet hatten, sollten genau Bescheid wissen.
Bei den A's zeigte man wenig Mitgefühl. Es gab Hunderte Spieler in den Minor Leagues, von denen die meisten Ron Williamson meilenweit voraus waren, und bald wurden seine Nörgeleien als lästig empfunden. Man kannte Rons spielerische Bilanz und wusste, dass er sich schwertat.
Aus der Führungsetage des Vereins ließ man verlauten, er solle die Klappe halten und sich auf seine Spiele konzentrieren.
Als er im Frühherbst des Jahres 1972 nach Ada zurückkehrte, war er dort immer noch ein Held, der sich mittlerweile einige Manierismen des kalifornischen Lebensstils angeeignet hatte. Er machte weiter die Nächte durch. Als die Oakland A's Ende Oktober zum ersten Mal die World Series gewannen, stand er bei einer turbulenten Siegesfeier in einer örtlichen Bar im Mittelpunkt. »Das ist mein Team!«, rief er mehrfach, auf den Fernseher zeigend, und seine Zechkumpane bewunderten ihn. 29
Doch dann änderte sich sein Lebenswandel plötzlich, denn er lernte Patty O'Brien kennen, eine attraktive junge Frau und ehemalige Miss Ada. Die beiden sahen sich regelmäßig, und die Geschichte wurde schnell ernst. Sie war eine fromme Baptistin, trank keinen Tropfen Alkohol und war nicht gewillt, Rons schlechte Angewohnheiten zu ertragen. Der war mehr als glücklich, dass sich sein Leben ändern würde, und gelobte Besserung.
1973 war er einer Karriere in den Major Leagues noch keinen Schritt näher gekommen. Nach einem weiteren mittelmäßigen Frühjahrstraining in Mesa wurde er erneut an die Burlington Bees ausgeliehen, wo er nur fünf Spiele absolvierte, bevor er zu den Key West Conchs wechselte. Wieder Class A, diesmal in der Florida State League. In neunundfünfzig Spielen dort kam er auf einen miesen Schlagdurchschnitt von 0,137. Zum ersten Mal in seinem Leben zweifelte er daran, dass er den Sprung in die Major Leagues schaffen würde. Nach zwei ziemlich verkorksten Spielzeiten hatte er begriffen, dass ihn professionelle Pitcher selbst auf Class-A-Niveau als Batter vor ganz andere Probleme stellten als die Werfer, mit denen er im Team der Asher High School konfrontiert gewesen war. Jeder Pitcher hatte einen harten Wurf, jeder Curveball war tückisch. Ale Spieler waren gut, einige würden den Sprung an die Spitze schaffen. Die Prämie, die er für die Vertragsunterzeichnung eingestrichen hatte, war längst verprasst. Sein Lächeln auf den Sammelbildern wirkte nicht mehr annähernd so enthusiastisch wie noch vor zwei Jahren.
Außerdem fühlte er sich von allen beobachtet. Seine Freunde und die netten Leute aus Ada und Asher setzten darauf, dass er ihre Erwartungen erfüllte, damit etwas von seinem Ruhm auf sie abfärbte. Er war der nächste Star aus Oklahoma, der neue Mickey Mantle. Der hatte mit neunzehn den Durchbruch geschafft, Ron hinkte also schon jetzt hinterher.
Er kehrte nach Ada zurück, wo Patty ihm dringend empfahl, sich während der spielfreien Zeit einen anständigen Job zu suchen. Ein Onkel kannte jemanden in Texas, und er fuhr nach Victoria und arbeitete ein paar Monate für eine Dachdeckerfirma. Am 3. November 1973 heirateten Ron und Patty in der First Baptist Church in Ada, ihrer Heimatkirche. Er war zwanzig und glaubte noch immer, dass er eines Tages Außergewöhnliches leisten würde.
Die Stadt betrachtete Ron Williamson als ihren größten Helden. Jetzt hatte er auch noch eine Schönheitskönigin aus einer allseits beliebten Familie geheiratet. Sein Leben stand unter einem guten Stern.
Im Februar 1974
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