Der Gefangene
einen anderen Menschen gemacht. Ein unselbständiges, psychisches Wrack das auf Betreuung angewiesen ist und schließlich fünf Jahre nach seiner Entlassung in Freiheit stirbt.
Titelbilder
1. Kapitel
In sanften Wellen erstrecken sich die Hügel des südöstlichen Oklahoma von Norman bis nach Arkansas. Wenig erinnert hier an die Ausbeutung der riesigen Ölvorkommen, die einst unter der Erde lagen. Da und dort sind noch einige träge, alte Ölförderpumpen in Betrieb, doch der Vorbeikommende fragt sich, ob sich der Aufwand lohnt. Viele andere wurden irgendwann stillgelegt, und ihre reglosen, rostigen Skelette erinnern an die glorreichen Tage, als man hier bei Erstbohrungen Springquellen entdecken und im Handumdrehen ein Vermögen machen konnte.
Solche Ölförderpumpen finden sich auch gelegentlich noch in der Umgebung von Ada, einer Stadt mit sechzehntausend Einwohnern, einem College und dem Gericht der County. Aber diese Pumpen sind nicht mehr in Betrieb, die Ölvorkommen ausgebeutet. Heute werden die Einwohner nach Stunden bezahlt und sind in Fabriken, der Tierfutter oder Holzverarbeitung beschäftigt.
Ada ist eine geschäftige Stadt. An der Main Street finden sich keine unbewohnten Häuser mit zugenagelten Fenstern. Der Einzelhandel hat überlebt, obwohl viele Geschäfte an den Stadtrand umgezogen sind. Die Lokale im Zentrum sind um die Mittagszeit sehr gut besucht.
Das Gerichtsgebäude von Pontotoc County ist ein altes, schmales Haus, in dem sich die Anwälte und ihre Mandanten drängen. In der Nachbarschaft findet man die übliche Ansammlung von Kanzleien und kommunalen Einrichtungen.
Das Gefängnis, ein flacher, fensterloser, an einen Bunker erinnernder Bau, wurde aus irgendeinem vergessenen Grund auf dem Rasen vor dem Gericht errichtet. Die Schwemme synthetischer Drogen sorgt dafür, dass es immer gut belegt ist. Die Main Street endet am Campus der East Central University, an der viertausend Studierende eingeschrieben sind, von denen viele zwischen Ada und ihrem Wohnort pendeln. Die jungen Menschen tragen zur Vitalität und Vielfalt des Lebens in Ada und im südöstlichen Oklahoma bei.
Den aufgeweckten Journalisten der Ada Eveninjj News entgeht nur wenig - die Tageszeitung der Region gibt sich viel Mühe, im Konkurrenzkampf mit dem Oklahoman zu bestehen, der größten Zeitung des Bundesstaates. Auf der Titelseite finden sich internationale und nationale Nachrichten, gefolgt von Neuigkeiten aus dem Staat, der Region und wichtigen örtlichen Themen - Highschool-Sport, Lokalpolitik, Veranstaltungen, Nachrufe.
In der Bevölkerungsstruktur Adas und der Pontotoc County mischen sich auf sympathische Weise Einflüsse des kleinstädtischen Südens und des freiheitsliebenden Westens. Der Akzent mit den lang gezogenen Vokalen erinnert an den von Osttexas oder von Arkansas. Es ist das Land der Chikasaw. In Oklahoma gibt es mehr Nachfahren amerikanischer Ureinwohner als in jedem anderen Bundesstaat, und nach einhundert Jahren der Vermischung fließt auch in den Adern vieler Weißer indianisches Blut. Heutzutage ist das längst kein Makel mehr; tatsächlich ist man zunehmend stolz auf dieses Erbe.
Ada liegt mitten im »Bible Belt«. In der Stadt gibt es fünfzig Kirchen und ein Dutzend verschiedene christliche Glaubensgemeinschaften. Die Gotteshäuser sind gut besucht, nicht nur an Sonntagen. Es finden sich eine katholische Kirche und eine für die Episkopalen, aber weder ein Tempel noch eine Synagoge. Viele Einwohner sind Christen oder geben vor, es zu sein. Dass man zu einer Glaubensgemeinschaft gehört, wird mehr oder weniger erwartet. Oft ist die gesellschaftliche Stellung von der religiösen Zugehörigkeit abhängig.
Mit seinen sechzehntausend Einwohnern gilt Ada im ländlichen Oklahoma fast schon als Großstadt, und die Beschäftigten und Kunden vieler Fabriken und Discounter kommen aus mehreren Countys hierher. Ada liegt hundertzwanzig Kilometer südöstlich von Oklahoma City und drei Autostunden nördlich von Dallas. Alle kennen jemanden, der in Texas lebt oder arbeitet.
Der größte Stolz der Einwohner ist das Quarter-Horse-Business. Viele der besten Pferde stammen von Züchtern aus Ada. Und wenn die Ada High Cougars wieder einmal die Footballmeisterschaft des Bundesstaates gewinnen, ist das noch lange ein Grund zum Prahlen.
Es ist ein angenehmer Ort, in dem die Menschen miteinander reden, Fremden gegenüber aufgeschlossen und stets hilfsbereit sind. In den schattigen Vorgärten spielen Kinder. Tagsüber
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