Der Gefangene
weiter. Im Juni 1976 zahlten sich Rons Überredungskünste aus. Er überzeugte die Yankees davon, dass seine Verletzung völlig ausgeheilt und er besser in Form sei denn je. Nachdem er mit genügend guten Pitchers konfrontiert gewesen war, um einzusehen, dass er ihnen als Batter nicht gewachsen war, setzte er ganz auf seine wahre Stärke, den rechten Arm. Der hatte schon damals das Interesse der Scouts geweckt. Bei den Oakland A's war ständig die Rede davon gewesen, auch ihn zum Pitcher zu machen.
Er unterschrieb einen Vertrag bei den Oneonta Yankees, die in der New York-Penn League spielten, Class A, und konnte es nicht abwarten, Tulsa den Rücken zu kehren. Der Traum war zu neuem Leben erwacht.
Hart werfen konnte er zweifellos, aber häufig mangelte es ihm an Zielgenauigkeit. Seine Technik war nicht ausgefeilt, er hatte einfach nicht genug Erfahrung als Pitcher. Und da er zu schnell zu viel wollte, kehrten die Schmerzen zurück, zuerst langsam, schließlich war sein ganzer Arm lahmgelegt. Die zweijährige Pause forderte ihren Tribut, und zum Saisonende wurde er erneut fallen gelassen.
Bei der Heimfahrt machte er wieder einen Bogen um Ada. Zurück in Tulsa, verkaufte er weiter Lebensversicherungen. Annette kam vorbei, um nach ihm zu sehen, und als das Gespräch auf das Thema Baseball kam, auf sein Scheitern, brach er in einen endlosen, hysterischen Weinkrampf aus. Seiner Schwester gegenüber gab er zu, lange, depressive Phasen durchzumachen.
Einmal mehr hatte er sich an die Begleiterscheinungen des Lebens in den Minor Leagues gewöhnt, und er nahm seine alten Gewohnheiten wieder auf, hing in Bars herum, trank viel, stellte Frauen nach. Aus Langeweile begann er, Softball zu spielen, und er genoss es, der große Star auf einer kleinen Bühne zu sein. Als er an einem kühlen Abend einen harten Ball in Richtung Second Base schleuderte, riss etwas in seiner Schulter. Er hörte mit dem Softball auf, doch es war passiert. Auf ärztlichen Rat hin unterzog er sich einer mühsamen Rehabilitation, spürte aber kaum eine Besserung. Weil er sich erneut der Hoffnung hingab, nach einer ausgedehnten Ruhepause wäre im Frühling alles ausgeheilt, erzählte er niemandem von der Verletzung.
Tatsächlich spielte er im Frühjahr 1977 wieder, doch es sollte sein letzter Auftritt in der Welt des professionellen Baseballs sein. Wieder hatte er es geschafft, die Yankees zu überreden. Er überstand das Frühjahrstraining, noch immer als Pitcher, und wurde an Fort Lauderdale ausgeliehen, Florida State League. Dort durchlitt er seine letzte Saison, siebzig Heim-, siebzig Auswärtsspiele, lange Busfahrten, ein Leben auf der Straße. Man setzte ihn so selten wie möglich ein. Nur vierzehn Spiele, dreiunddreißig Innings. Er war vierundzwanzig und laborierte an einer Schulterverletzung, die nicht ausheilen wollte. Die ruhmreichen Tage, als er unter Muri Bowen für Asher gespielt hatte, waren ferne Vergangenheit.
Die meisten Spieler fügen sich irgendwann in das Unvermeidliche, doch Ron gehörte nicht zu ihnen. Zu viele Menschen in seiner Heimat zählten auf ihn. Seine Familie hatte zu große Opfer gebracht. Er hatte ein Universitätsstudium ausgeschlagen, um ein Star in den Major Leagues zu werden, da konnte er jetzt nicht einfach aussteigen. Seine Ehe war gescheitert, und er war nicht ans Scheitern gewöhnt. Noch trug er das Trikot der Yankees, eine tägliche Erinnerung daran, dass sein Traum nicht ausgeträumt war. Mit Mühe hielt er bis zum Saisonende durch, dann ließen ihn seine geliebten Yankees erneut fallen.
3. Kapitel
Ein paar Monate nach dem Ende der Saison schlenderte Bruce Leba durch die Southroads Mall in Tulsa, als er plötzlich ein vertrautes Gesicht erblickte und wie angewurzelt stehen blieb. Durch das Schaufenster von Toppers Menswear sah er seinen alten Freund Ron Williamson, der schicke Klamotten trug und ebensolche an die Kunden verkaufte. Die beiden umarmten sich und erzählten einander, wie es ihnen inzwischen ergangen war. Angesichts der Tatsache, dass sie früher praktisch wie Brüder gewesen waren, wunderten sie sich darüber, dass sie sich völlig aus den Augen verloren hatten.
Nach dem Abschluss der Highschool in Asher waren beide getrennte Wege gegangen. Bruce hatte noch zwei Jahre an einem Junior College Baseball gespielt, musste schließlich aber wegen seiner Knieprobleme aufhören. Viel besser war auch Rons Karriere nicht verlaufen. Keiner hatte von der Ehe des anderen gewusst, und jetzt waren beide
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