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Der Gefundene Junge

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Titel: Der Gefundene Junge Kostenlos Bücher Online Lesen
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an den Mauern, bis die Burg in sich zusammenbrach. Sie fing Feuer und Petraportus verwandelte sich in ein Inferno. Es heißt, Brinn sei vom Westturm gesprungen und habe sein Kriegsbeil geschwungen, während er Dutzende Meter weiter unten auf einen der Riesen fiel.«
    Â»Ist er gestorben?«, fragte Hap.
    Â»Nicht, bevor er gelandet ist!«, erwiderte Umber kichernd. »Nachdem das Feuer erloschen war, plünderten die Riesen die Schatzkammer der Burg. Das, was von Petraportus noch übrig war, ist seither dem schleichenden Verfall ausgesetzt. Siehst du den Turm, der zur Hälfte abgebrochen ist? Das war der Südturm, und er ist erst vor fünf Jahren eingestürzt. Ich war ein paarmal dort und habe Archäologe gespielt. Wenn ein starker Wind weht, kann man hören, wie sich die Steine bewegen. Mittlerweile gehe ich nur noch selten hin – der alte Fischer und seine Frau haben es lieber, wenn man sie in Ruhe lässt. Aber es ist ziemlich aufregend da drinnen.«
    Oates setzte die Flöte ab. »Es ist ziemlich blödsinnig, da drinnen rumzulaufen. Du könntest dabei umkommen.«
    Umber verdrehte die Augen. »Wie immer vielen Dank für deine Aufrichtigkeit, Oates. Jetzt spiel was anderes. Hast du das letzte Lied gelernt, das ich dir gegeben habe? ›Yesterday‹?«
    Oates runzelte die Stirn, während er angestrengt nachdachte.
    Â»Ach ja. Auch von da, wo auch immer du herkommst.«
    Â»Spiel es einfach, Oates.«
    Oates schnaubte, leckte sich über die Lippen und spielte einelangsame, eindringliche Melodie. Umbers Blick ging ins Leere und seine Aufmerksamkeit schien sich einem Ort in seinem Inneren zuzuwenden. Dann blinzelte er und kehrte in die Gegenwart zurück. »Wo war ich? Ach, ja. Die Seeriesen lebten also in den Ruinen der alten Stadt. Niemand wagte es mehr, sich dem Ort zu nähern. Aerie selbst war so stabil, dass die Riesen es nicht zum Einsturz bringen konnten, doch die Menschen hatten trotzdem zu viel Angst, um dortzubleiben. Ganz Kurahaven war über ein Jahrhundert lang verlassen, bis die Eindringlinge vertrieben wurden.«
    Â»Von wem?«
    Â»Von einer Hexe namens Turiana. Sie verfügte über erstaunliche Kräfte und ein unerschöpfliches Wissen über die Zauberwesen und Monster dieser Welt. Sie hatte einen Talisman, der es ihr erlaubte, die Gedanken anderer Lebewesen zu beherrschen, und sie befahl den Seeriesen, ins Meer zurückzukehren. Und tatsächlich wateten die Ungetüme einfach so in die Tiefen zurück und wurden seither nie wieder gesehen. Das ist jetzt einige Jahrhunderte her. Sobald die Seeriesen verschwunden waren, machte Turiana Aerie zu ihrem Zuhause. Nach einer Weile kehrten die Menschen zurück – diese Bucht ist für Kaufleute einfach unwiderstehlich gut gelegen – und die Stadt erstand auf den Ruinen neu. Das alte Herrschergeschlecht war untergangen, aber ein neuer König aus dem Süden von Celador gelangte an die Macht. Und dieses Haus regiert bis zum heutigen Tag.«
    Hap nickte, er sog die Geschichte begierig in sich auf. »Und was ist mit der Hexe passiert?«
    Umber stemmte seine Ellbogen auf die Mauer. »Das ist eine traurige Geschichte. Sie war lange Zeit eine Freundin des Königshauses und kam sogar einmal in den Palast, um dem König einen Rat zu erteilen. Es war immer ein Ereignis, wenn sie sich zeigte, denn Turiana war unvorstellbar schön. Die Männer kamen von überall her nach Kurahaven, nur um einen Blick auf sie zu erhaschen. Aber während sie Aerie zwar hin und wieder verließ, durfte die Felsenburg nie jemand anders betreten als sie selbst. Sie zog sich mehr und mehr zurück, bis man sie nur noch gelegentlich im Mondlicht auf dem Dach erspähen konnte. Und dann geschahen immer mehr seltsame Dinge. Aus Aerie drangen schreckliche Geräusche: Schreie und Stöhnen und tierische Laute. Manchmal hing eine schwarze Wolke darüber, obwohl der übrige Himmel vollkommen klar war. Und es gab Gerüchte über schreckliche Kreaturen, die nachts herauskamen und die Straßen unsicher machten. Am Tag war in der Stadt alles in Ordnung, doch jeder, der nach Sonnenuntergang hinausging, lief Gefahr zu verschwinden. Selbst die Wachen des Königs trauten sich nicht mehr hinaus.«
    Hap schaute auf die lebensprühende Stadt hinunter und versuchte sich eine Zeit vorzustellen, in der jeder nachts seine Türen verriegelte. »Aber warum? Warum

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