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Der Gefundene Junge

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Titel: Der Gefundene Junge Kostenlos Bücher Online Lesen
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einem Baum, der aus einem riesigen Steintopf emporwuchs. Er winkte Hap mit einem breiten Grinsen zu sich. Oates blieb im Hintergrund und lehnte sich an die Wand. Er zog eine winzige Flöte aus der Tasche und spielte so gekonnt ein schönes, trauriges Lied, dass Hap ganz verblüfft war.
    Â»Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn Oates in der Nähe bleibt«, sagte Umber. »Aber ich finde, du solltest gut bewacht werden, bis wir sicher sein können, dass Occo weg ist.« Umberhielt einen Apfel in der Hand, schnitt mit seinem Messer Stücke davon ab und steckte sie sich in den Mund. »Möchtest du ein bisschen Obst, Hap? Nimm dir, was du magst.«
    Als Hap aufschaute, blieb ihm der Mund offen stehen. »Wie …?«, sagte er. Der Baum war gar nicht besonders groß, vielleicht drei Meter hoch, aber weitaus breiter. Seine Äste bogen sich unter dem Gewicht der Früchte. Aber es hingen nicht nur Äpfel daran; der Baum trug alle möglichen Obst- und Beerensorten. Einige von ihnen wuchsen eigentlich an Sträuchern und andere an Reben, und doch hingen sie hier alle zusammen: Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Pflaumen, Orangen, Zitronen, Limonen, Erdbeeren, Trauben und andere, die er nicht kannte. Ein betörender Duft stieg ihm in die Nase, denn der Baum stand außerdem in voller Blüte.
    Â»Nicht schlecht, was?«, sagte Umber und spuckte einen Apfelkern aus. »Das ist mein Vielfruchtbaum. Das Geschenk eines befreundeten Zauberers. Er widmet all seine Zauberkraft der Pflanzenkunde. Vielleicht lernst du ihn eines Tages kennen; er wohnt auf einer der tausend Inseln draußen im Rulischen Meer.«
    Ãœber Haps Kopf baumelte eine faustgroße Erdbeere. Er pflückte sie und biss hinein. Der süße Geschmack war so intensiv, dass seine Augen sich ganz von selbst schlossen. »Großartig!«, sagte er, als er geschluckt hatte.
    Â»Pass auf, dass dir der Saft nicht aufs Hemd tropft. Du hast dich heute schon oft genug umgezogen.« Umber lehnte sich auf der Bank zurück und sog genüsslich die Luft ein. »Ich habe noch mehr magische Pflanzen hier oben. Eine, die schnurrt, wenn man sie berührt, und eine, die mit einer Zunge Fliegen aus der Luftfängt wie ein Frosch. Eine andere kriecht von Topf zu Topf, wenn keiner hinguckt. Aber dieser Baum hier ist meine Lieblingspflanze. Ich sitze abends oft auf dieser Bank, einfach nur um das Obst zu genießen und in die Sterne zu schauen. Das entspannt mich, wenn es in meinem Kopf mal wieder summt wie in einem Bienenstock, was leider häufig passiert.« Umber warf den Rest des Apfels in eine andere Pflanze in der Nähe. Die Reben dieser Pflanze krochen zu dem Apfelgehäuse hin und legten sich darum. »Ich könnte dich ein bisschen herumführen, aber es wird langsam dunkel, und wir müssen bald zum Palast aufbrechen. Sag mal, wirst du überhaupt jemals müde?«
    Hap schloss die Augen und horchte still in sich hinein. Er hatte blaue Flecken und Schrammen. Der Schnitt in seiner Ferse war immer noch empfindlich. Sein Kiefer tat ihm weh; wahrscheinlich weil er seit der Begegnung mit Occo die ganze Zeit die Zähne zusammenbiss. Aber während seine Muskeln durchaus nach jeder Anstrengung erschöpft waren, hatte er bislang nicht den Eindruck, dass sein Kopf eine Pause brauchte. »Nein, ich bin nicht müde.«
    Umbers Augen funkelten. »Das geht jetzt schon ziemlich lange so. Ich glaube, inzwischen können wir davon ausgehen, dass du einfach keinen Schlaf brauchst.«
    Hap ließ den Kopf sinken. Er konnte sich nicht einmal vorstellen, wie sich das Bedürfnis zu schlafen anfühlte. »Das ist nicht normal, stimmt’s?«
    Â»Nun ja … nein. Es ist ungewöhnlich. Und ehrlich gesagt beneide ich dich darum. Ich schlafe zwar gern, aber stell dir vor, wie viel mehr man erledigen könnte, wenn man nicht ein Drittelseines Lebens in bewusstlosem Zustand verbrächte!« Umber legte eine Hand über die Augen und schaute zum westlichen Horizont. »Die Sonne ist schon fast untergegangen. Komm, Hap. Der Ausblick lohnt sich.«
    Hap folgte Umber zum Rand der Terrasse, wo Oates das Stück inzwischen zu Ende gespielt hatte.
    Â»Das war schön«, sagte Hap.
    Â»Umber hat es mir beigebracht«, sagte Oates.
    Â»Ach, da fällt mir ein – sag, Hap, kam dir das Stück vielleicht irgendwie bekannt vor?«, fragte Umber und legte die Fingerspitzen

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