Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
entschuldigen würde. Aber es kam anders.
»Nach ihren Werken aber handelt nicht!«, kam da auch schon die nächste böse Überraschung, die Jesus für sie bereithielt. »Sie binden schwere und unerträgliche Lasten und legen sie auf die Schultern der Menschen. Sie selber aber wollen mit keinem Finger daran rühren. All ihre Werke tun sie, um von den Leuten gesehen zu werden. Sie machen ihre Gebetsriemen breit und ihre Quasten lang und lassen sich gern Meister nennen. Doch nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. Auch sollt ihr keinen von euch Vater nennen auf Erden. Nur der Ewige, der in den Himmeln ist, ist euer Vater. Und lasst euch nicht Lehrer nennen. Denn nur einer ist euer Lehrer: der Messias. Wehe aber euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verschließt den Menschen das Himmelreich. Denn ihr selbst geht nicht ein, und die hineinwollen, lasst ihr nicht ein. Wehe euch! Ihr zieht zu Wasser und auf dem Land umher, um einen Einzigen zum Glaubensgenossen zu machen. Und ist er es geworden, so macht ihr ihn zum Sohn der Hölle, doppelt so arg wie ihr selbst! Wehe euch, ihr blinden Führer, die ihr sagt: Wenn einer beim Tempel schwört, so gilt das nicht; wer aber beim Gold des Tempels schwört, der sei gebunden! Wehe euch, ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel, doch das Wichtigere des Gesetzes vernachlässigt ihr: das Recht und die Barmherzigkeit und die Treue!«
Die Pharisäer hielt es nun nicht länger auf ihren Stühlen und an diesem Ort, den Jesus zur Stätte ihrer Anklage gemacht hatte, statt sich von ihren Vorhaltungen in die Enge treiben zu lassen. Unter lautem Protest stürzten sie davon und suchten sich einen Weg durch die Menge, die sich jedoch Zeit ließ, ihnen Platz zu machen.
Und Jesus steigerte seinen Angriff auf ihren Stand sogar noch, indem er ihnen nachrief: »Ihr Heuchler und blinden Führer, ihr seid die Mücke und das Kamel verschluckt ihr! Ihr reinigt den Becher und die Schüssel von außen, aber inwendig seid ihr voller Raub und Unmäßigkeit! Ihr gleicht übertünchten Gräbern, die von außen zwar schön aussehen, inwendig aber voll sind von Totengebein und Unrat! Ihr Schlangen und Natterngezücht! Wie werdet ihr der Verdammnis zur Hölle entrinnen? Die einen werdet ihr töten und kreuzigen, andere werdet ihr in euren Synagogen geißeln und von Stadt zu Stadt verfolgen, damit alles gerechte Blut, das auf Erden vergossen wurde, über euch komme! Vom Blut des gerechten Abel bis zum Blut des Zacharias, des Barachias’ Sohn, den ihr umgebracht habt zwischen Tempel und Altar. Wahrlich, ich sage euch: Dies alles wird über dieses Geschlecht kommen!« 16
Die Pharisäer konnten gar nicht schnell genug die ihnen schadenfroh nachblickende Menschenmenge hinter sich lassen und vom Dorfplatz kommen.
Jesus forderte nun ein kleines Kind auf, das bei seinem Vater in der vordersten Reihe stand, zu ihm zu kommen. Er legte ihm seinen Arm um die Schulter und führte mit ein wenig sanfterer, aber immer noch warnender Stimme seine Predigt mit den mahnenden Worten zu Ende: »Seht dieses Kind hier! Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht eingehen in das Reich der Himmel. Amen, ich sage euch: Wer sich so klein macht wie dieses Kind, der ist der Größte im Reich der Himmel! Wer Ohren hat, der höre!« Damit strich er dem Kind über den Kopf, schickte es zu seinem Vater zurück und ging zu einer Gruppe von Frauen, die sich hinter dem kräftigen Stamm des Baumes aufgehalten hatten.
3
Jona schob sich an den Menschen vorbei, die etwas zögerlich auseinander gingen, als ständen sie noch ganz unter dem Bann des soeben Gehörten. Sein Blick fiel plötzlich auf seinen Freund, der mit einigen anderen Jüngern zu Jesus hinüberwollte.
»Timon!«, rief er.
Sein Freund blieb stehen und wandte sich um. »Jona!«, stieß er hervor und eilte ihm mit strahlendem Gesicht entgegen.
Sie fielen sich um den Hals.
»Mein Gott, Jona! Mit dir hätte ich am allerwenigsten gerechnet! Umso mehr freue ich mich, dich endlich wiederzusehen!«, sagte Timon. »Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Es muss ein gutes Jahr her sein. Sag, wo bist du die ganze Zeit gewesen? In Jerusalem, nicht wahr? Wie ist es dir ergangen, Jona? Und was bringt dich auf einmal wieder zu uns in die Provinz Galiläa?«
»Sind das schon alle Fragen, die ich in einem Atemzug beantworten soll?«, fragte Jona scherzhaft zurück und stellte zu
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