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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Möglichkeit ergeben, unbemerkt einiges zu beobachten, was er dann hinterher zu Papier bringen konnte, damit seine Beschreibung das nötige Fleisch hatte und sich auch glaubwürdig las.
    Voller Ungeduld und Unruhe wartete er dem Abend entgegen. Er wagte nicht, aus seinem Versteck hervorzukommen, sondern wanderte in der leeren Halle, in der noch der Geruch von Getreide in der Luft hing, Stunde um Stunde auf und ab. Was ihn zusätzlich bedrückte, war das Wissen, dass er den Bericht nach seinem heimlichen Besuch im Essener-Viertel sofort abschließen und zu Kaiphas bringen musste. Denn morgen war Rüsttag und da durfte er einem Mann wie dem Hohenpriester gewiss nicht unter die Augen treten.
    Endlich sank die Dunkelheit auf Jerusalem herab und er machte sich auf den Weg. Weit hatte er nicht zu gehen, und schließlich stand er vor der halb eingefallenen Mauer, die den kleinen Innenhof des Hauses umgab, in dessen Obergemach Jesus sich mit seinen zwölf Jüngern schon versammelt haben musste.
    Das nicht weniger altersschwache Brettertor, das keinen Dieb abgeschreckt hätte, stand halb offen. Er trat in den Innenhof und sah zu seinem Erschrecken im nächsten Moment eine Gestalt an der Wand neben dem Treppenaufgang sitzen, die auf der Hinterseite außen am Haus nach oben führte.
    Der Mann hob den Kopf und fragte mit mäßigem Interesse: »Bist du auch einer von ihnen?«
    Im Licht des Mondes sah Jona, dass er es mit einem alten Mann in abgerissenen Gewändern zu tun hatte, dem das linke Auge fehlte. Dort klaffte nur noch eine hässliche Höhle.
    »Ja«, sagte er nach kurzem Zögern.
    Der Alte hob müde die Hand, wies zur Treppe und sagte mit schleppender Stimme: »Deine Freunde sind schon oben.« Damit war sein Interesse an ihm auch schon erloschen. Er ließ den Kopf sinken, griff in den Stoffbeutel, der in seinem Schoß lag, holte eine Hand voll dunklen Blattwerks heraus, das Jona als Rauteblätter zu erkennen meinte, und stopfte es sich in den Mund.
    Jona bog um die Ecke und stieg die Treppe hinauf, deren Geländer teilweise fehlte. Er gelangte auf eine kleine Plattform vor einer Tür. Er hörte Stimmen, auch fielen schmale Lichtstreifen durch mehrere Ritzen zu ihm in die Dunkelheit hinaus. Denn zwischen den Brettern der grob zusammengezimmerten Tür klafften genügend große Spalten, sodass Jona unbemerkt einen Blick in das dahinter liegende Obergemach des baufälligen Hauses werfen konnte.
    Vorsichtig spähte Jona in den Raum. Sein Blick fiel nicht auf bequeme Liegekissen und einen niedrigen Tisch, wie es einem solch hohen Gastmahl wie dem Passah angemessen gewesen wäre. Sondern was er sah, war eine lange, einfache Holzplatte, die auf zwei klobigen Böcken ruhte, wie sie überall in den Werkstätten Verwendung fand. Jesus und die zwölf Jünger hatten dahinter auf harten Stühlen Platz genommen. Manchen stand sogar nur ein einfacher Schemel zur Verfügung. Zu beiden Seiten des Nazoräers saßen je sechs Jünger. Das Licht kam von drei Öllampen, die in Schulterhöhe auf drei kleinen Holzborden standen. Sonst war der Raum so leer und unansehnlich wie die Kammer eines Tagelöhners. Doch dann bemerkte er noch einige schmutzige Tücher, die neben einem Wasserkrug und einer großen, flachen Schale am Boden lagen, die wohl der Fußwaschung vor dem Mahl gedient hatten.
    Vergeblich suchte Jona jedoch nach dem traditionellen Lamm, das an Passah verspeist wurde. Er sah nur Brote auf dem Tisch sowie mehrere Krüge und vor jedem der Männer einen schmucklosen Steinbecher. Die Jünger saßen schweigend am Tisch, und in ihren Gesichtern fand sich nichts, was auch nur im Entferntesten den Gedanken an eine fröhliche Feier nahe gelegt hätte. Sie sahen eher bedrückt und sorgenvoll aus und das ja auch nicht ohne Grund.
    Gerade ergriff Jesus eines der vor ihm liegenden Brote, sprach zu Jonas Freude den vorgeschriebenen Segensspruch und brach es. Und dann sagte er mit feierlichem Ernst: »Nehmt und esst davon. Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis.«
    Verstört sahen sich die Jünger an. Auch Jona glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird? Was sollte das bedeuten?
    Doch Jesus schien ihre Verwirrung und Bestürzung überhaupt nicht zu bemerken. Denn er nahm nun den Becher, hielt ihn hoch, lobte wiederum Gott mit dem traditionellen Segensspruch und stürzte seine Jünger in noch tiefere Verstörung, als er sie aufforderte: »Trinket alle

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