Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
versucht...«, begann Jona, während er ihm seinen Bericht reichte.
»Schweig und lass mich lesen!«, schnitt ihm der Hohepriester das Wort ab, nahm ihm die Blätter aus der Hand und begann zu lesen.
Jona stand mit zittrigen Beinen vor ihm am Schreibtisch und sah mit wachsender Furcht, wie sich das Gesicht des Hohenpriesters immer mehr verfinsterte. Kaiphas warf ein Blatt nach dem anderen mit immer zornigerer Gebärde vor sich auf die Tischplatte.
»Ist das alles, was du mir bringst?«, fragte er schließlich mit bedrohlich leiser Stimme. »Mehr hast du mir nicht zu bieten?«
»Hoherpriester, ich habe alles in meiner Macht Stehende...«
Erneut ließ Kaiphas ihn nicht ausreden. »Was sollen diese elend langen Ausführungen über diese...«, er griff sich ein Blatt heraus und schlug mit der anderen Hand darauf, als wollte er die Zeilen vom Papyrus schlagen, »... diese Seligpreisungen? ›Selig ihr Armen, denn euer ist das Reich Gottes!‹ und ›Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen!‹ Worüber werden sie denn lachen? Vielleicht über die Priesterschaft? Soll das ein schlechter Witz sein? Und dann hier dieses lächerliche ›Ihr seid das Salz der Erde!… Ihr seid das Licht der Welt!‹ Was für ein ausgemachter Unsinn! Als ob dieses hergelaufene, unwissende Bauernvolk mit seiner lauen Gesetzestreue in der Welt auch nur den schwachen Schimmer eines Lichtes von sich gibt! Und mit diesem einfältigen Gerede hast du ganze Seiten gefüllt?«
»Herr, ich habe aufgeschrieben, was ich den Nazoräer sagen gehört habe!«, stieß Jona hervor, und wieder einmal brach ihm unter dem ungnädigen Blick des Hohenpriesters kalter Angstschweiß aus. »Du hast gesagt, ich solle...«
»Erzähl mir nicht, was ich dir gesagt habe! Glaubst du vielleicht, ich leide unter Gedächtnisschwund?«, herrschte Kaiphas ihn an, knüllte das Blatt wütend zusammen und warf es ihm vor die Füße. »Ich habe dir aufgetragen, seine Verstöße gegen das Gesetz und seine Ausfälle gegen die Priesterschaft festzuhalten! Aber was hast du getan? Einfältiges Geschwätz hast du auf das teure Papyrus gekritzelt. Dummes Gefasel wie diese angeblichen Wunderheilungen hier!« Er hob ein anderes Blatt auf. »Dämonenaustreibungen, Heilung von Aussätzigen und dann diese ausgemachte Scharlatanerie mit diesem Lazarus, den er von den Toten auferweckt haben will! Wo hast du denn deine Augen gehabt? Dabei kann man doch mit dem Finger daran rühren, dass dieser Lazarus gar nicht tot gewesen sein kann, sondern allenfalls ohne Bewusstsein gewesen ist!« Auch dieses Blatt verwandelte er erbost in einen Papierball, den er von sich warf, um zum nächsten Papyrus zu greifen. »Und dann noch zum Abschluss dieses vage, rührselige Geschwätz von dem Passah-Mahl, das Jesus heute mit seinen Jüngern gefeiert hat! Zeile über Zeile hast du damit verschwendet, von frommen Segenssprüchen und dem angeblich gesetzestreuen Brechen von Brot zu sprechen! Willst du mich für dumm verkaufen, Bursche?« Seine Stimme wuchs zu einem Donnern an. »Nicht ein Wort findet sich in deinem geschwätzigen Bericht von den Lästerungen, derer sich der Nazoräer schuldig gemacht hat! Und zwar nicht nur einmal, sondern wieder und wieder und wieder, wie ich weiß!«
»Ehrwürdiger Hoherpriester, ich bin nur ein einfacher Mann, der nicht viel von diesen Dingen versteht. Und wenn ich dich enttäuscht habe, so bitte ich dich untertänigst um Verzeihung, Herr!«, sagte Jona in seiner Verzweiflung, während Kaiphas nun hinter seinem Schreibtisch hervorkam und zu ihm trat. Und er überlegte, ob er sich vor ihm auf den Boden werfen und ihn um Barmherzigkeit bitten sollte.
Doch da war Kaiphas schon bei ihm und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. »Du lügst!«, fuhr er ihn an. »Ich weiß aus meiner anderen Quelle, dass Jesus noch ganz andere Dinge gesagt hat, die du mir verschwiegen hast! Nicht nur dass er sich von seinen Jüngern als der Messias verehren lässt, was sowohl eine Anmaßung als auch einfach nur lächerlich ist, wenn ein Bauhandwerker aus der Provinz sich dazu versteigt. Sondern was viel schwerer wiegt, sind die aufrührerischen Reden dieses größenwahnsinnigen, demagogischen Aufwieglers aus Nazareth!«
Jona brannte die ganze rechte Gesichtshälfte wie mit siedendem Öl übergossen. Aber der Schmerz war nichts im Vergleich zu der Angst, die ihn würgte. »Hoher Herr, ich habe nichts von all dem gehört. Und mein Freund hat sich nicht...«
Zum zweiten Mal setzte es
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