Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
daraus! Denn das ist mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Und ich sage euch: Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, da ich mit euch trinke im Reich meines Vaters! Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch!« Und nach einer kurzen Pause, in der das Schweigen der Jünger geradezu betäubend wirkte, fügte er noch hinzu: »Doch ihr sollt auch wissen, dass die Hand dessen, der mich ausliefern wird, mit mir am Tisch sitzt. Denn der Menschensohn geht hin, wie es bestimmt ist. Aber wehe jenem Menschen, durch den er ausgeliefert wird.« 22
Auf einmal begannen alle laut zu reden und sich erregt zu streiten, wer denn wohl derjenige sei, der ihren Meister ausliefern werde. Und jeder beteuerte, bis zum Letzten zu ihm zu halten.
Jona fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen und zog sich von der Tür zurück, wusste er nun doch, dass er nichts mehr hören oder sehen würde, das geeignet war, um Eingang in seinen Bericht an den Hohenpriester zu finden. Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird!… Das ist mein Blut, das für euch vergossen wird! Die Worte hallten wie Donnerschläge in ihm nach.
Zitternd stieg er die Treppe hinunter.
Der Alte blickte, mit offenem Mund kauend, wieder zu ihm auf, als er um die Hausecke kam.
Hastig kramte Jona einige Münzen hervor und warf sie ihm in den Schoß. »Du hast mich nicht gesehen«, sagte er zu ihm und hatte Mühe, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Es ist besser so - für uns alle!«
Der Alte spuckte etwas Blättersaft in den Dreck, nahm die Münzen auf, warf einen Blick darauf, nickte und erwiderte: »Ich kenne dich nicht, Fremder. Und ich habe dich nie gesehen.«
Jona hastete an ihm vorbei und hinaus auf die dunkle Gasse. Und noch immer hörte er in seinem Kopf die Worte: Das ist mein Leib!… Das ist mein Blut! Sie verfolgten ihn und hämmerten unaufhörlich auf ihn ein, als wollten sie seinen Schädel sprengen.
9
»Gott stehe mir bei!«, murmelte Jona, und ihm war übel vor Angst, als er eine gute Stunde später vor dem prächtigen Tor des Hohenpriesters stand und den schweren Bronzeklopfer an der im Tor eingelassenen Tür betätigte. »Gott stehe uns allen bei!«
Ein Diener erschien, und als er einen jungen Mann in schäbiger Kleidung vor sich stehen sah, fragte er unwirsch, was die späte Störung zu bedeuten habe und ob er denn ein Bauerntölpel sei, der nicht wisse, vor wessen Anwesen er stehe.
Mit stockender Stimme nannte Jona ihm seinen Namen und sagte, dass der Hohepriester ihn mit einem Auftrag betraut habe und ob der hohe Herr wünsche, dass er ihm jetzt seinen Bericht übergebe.
»Warte!«, wies ihn der Diener an und schloss die Tür hinter sich. Er ließ jedoch nicht lange auf sich warten und teilte ihm mit derselben Schroffheit mit: »Der hohe Herr will dich sehen! Komm zur Hinterpforte!«
Als Jona durch das kleinere, hintere Tor das Anwesen des Hohenpriesters betrat, schenkte er der Schar bewaffneter Männer keine Beachtung, die sich zu seiner Linken auf dem mit Platten ausgelegten Vorhof um ein einfaches Kohlenbecken drängten, sich die klammen Hände wärmten und leise miteinander sprachen. Er war viel zu sehr mit dem beschäftigt, was ihn gleich bei Kaiphas erwartete.
Wieder musste er kurz in dem Vorraum warten, den er schon kannte. Er betete stumm, dass Gott ihn vor größerem Unheil bewahren möge, und zog seinen Bericht aus seinem Beutel, um ihn sogleich bereitzuhaben. Dann rief man ihn ins Zimmer des Hohenpriesters.
»Schau an, du auch?«, begrüßte ihn Kaiphas mit spöttisch hochgezogenen Brauen. »Habt ihr euch vielleicht abgesprochen?«
»Ich weiß nicht, was du damit meinst, hoher Herr«, erwiderte Jona verständnislos und hatte Mühe, dass ihm die beschriebenen Papyrusblätter nicht aus der zitternden Hand fielen. »Ich bin gekommen, weil...«
Kaiphas fiel ihm ins Wort. »Das ist auch nicht nötig. Und ich weiß, weshalb du gekommen bist«, sagte er und winkte ihn mit einer ungeduldigen Geste zu sich an den mächtigen Schreibtisch heran. »Nun gib schon her und lass sehen, was du mir gebracht hast! Du kommst spät, aber immerhin du kommst. Und ich dachte schon, deine Loyalität zu deinem Gönner und deine Gefühle für das junge Ding falsch eingeschätzt zu haben, glaubte ich dich doch längst außer Landes. Umso besser für sie, dass du dich eines anderen besonnen und meinen Auftrag ausgeführt hast.«
»Herr, ich habe
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