Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Gefahr. Das Einzige, was sie fanden, war ein Wasserschlauch mit einem mehr als handlangen, zackigen Riss im Leder und ein leerer Proviantbeutel.
»Eine abgerissene Gestalt hier in dieser Öde, die mit einem soliden Schwert bewaffnet ist. Kannst du dir darauf einen Reim machen?«, fragte Jona, als sie zu ihrem Gefangenen zurückkehrten.
Timon schüttelte den Kopf und drehte das Kurzschwert prüfend in seinen Händen. »Nein, ich weiß nur, dass dieses Schwert mal einem römischen Soldaten gehört hat, denn das hier ist, was die römischen Soldaten ein gladius hispaniensis , also ein ›spanisches Schwert‹ nennen. Aber ebenso sicher bin ich mir auch, dass dieser Bursche da kein römischer Soldat ist!«
»Er könnte desertiert sein und sich in Unkenntnis der Gefahr in die Wüste geflüchtet haben.«
Timon schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ein Großteil der Kohorten 28 des Pontius Pilatus und auch des Herodes bestehen zwar aus Samaritern, Phöniziern, Syrern und anderen Freiwilligen aus den besetzten Provinzen. Aber ich würde glatt meinen Wasserschlauch darauf verwetten, dass er nicht zu jenen käuflichen Lumpen gehört, die scharf auf das römische Bürgerrecht sind und sich deshalb elend lange Jahre als Soldaten verdingen.«
»Du hast Recht, nach einem Deserteur sieht er mir eigentlich auch nicht aus«, pflichtete Jona ihm bei.
»Ich denke mal, wir haben es schlicht und ergreifend mit einem Räuber zu tun, der eine Menge Pech gehabt hat - und zwar nicht nur mit uns«, sagte Timon mit trockenem Spott. »Aber fragen wir ihn doch selbst. Mir scheint, unser ungebetener Gast kommt gerade wieder zu sich!«
Stöhnend rollte sich der Mann auf den Rücken und versuchte, sich aufzurichten, sank jedoch gleich wieder mit dem Oberkörper zurück.
»Bleib liegen!«, befahl Timon und setzte ihm das Schwert auf die Brust.
»Wasser!«, stieß der Mann beschwörend hervor. »Wasser!… Nur einen Schluck Wasser!«
»Erst sagst du uns, wie du heißt und wer du bist!«, verlangte Timon barsch.
»Gerschon... bin ein Töpfer... aus Gibeon!«, keuchte der Fremde abgehackt und mit kratziger Stimme, um gleich darauf wieder inständig um Wasser zu flehen.
Timon lachte spöttisch auf. »Ein Töpfer, der mit dem Schwert eines römischen Soldaten in der judäischen Wüste über zwei Reisende herfällt? Hältst du uns für Tölpel, Mann? Also lass dir gefälligst eine bessere Geschichte einfallen!«
»Wasser!… In Gottes Namen, gebt mir Wasser!«, wimmerte der Mann, der sich Gerschon nannte. »Wasser!… Wasser!… Ich flehe... euch an... Wasser!... Nur einen Schluck Wasser!«
»So schnell stirbt es sich nicht!«, sagte Timon ungerührt und verlangte wieder, dass er ihnen die Wahrheit über sich sagte. Doch der Mann schien ihn gar nicht zu hören, denn in einem fort wiederholte er sein gequältes, flehentliches Bitten um Wasser und wand sich dabei hin und her wie ein Wurm, der unter eine Schuhsohle geraten war und sich davon zu befreien versuchte.
Jona konnte das verzweifelte Gewimmer und kratzige Schluchzen nach Wasser nicht länger mit anhören. Er griff nach seinem Wasserschlauch und beugte sich zu dem Mann hinunter.
»Warte noch damit!«, versuchte Timon ihn zurückzuhalten. »Das hat noch Zeit.«
Doch Jona ließ nicht mit sich reden. »Siehst du denn nicht, dass er vor Durst fast von Sinnen ist? Auch wenn der Mann mit dem Schwert auf uns losgegangen ist, so können wir ihn doch nicht verdursten lassen! Ich gebe ihm jetzt zu trinken, ob es dir nun passt oder nicht!« Und damit hielt er dem Mann die Öffnung des Ziegenschlauchs an die ausgetrockneten, rissigen Lippen. »Hier, trink!«
Wie ein Fisch auf dem Trockenen riss Gerschon den Mund auf und schnappte gierig nach dem Wasser, das Jona in einem dünnen Rinnsal aus dem Ziegenschlauch fließen ließ. Er klemmte die Öffnung mit Daumen und Zeigefinger etwas zu. Denn wenn dieser Mann kurz vor dem Verdursten gestanden hatte, würde es ihm nicht gut tun, das Wasser in großen und unkontrollierten Schlucken in sich hineinzuschlingen. Er würde sich erbrechen und dafür war das Wasser zu kostbar und ihr Vorrat zu knapp bemessen.
Mit einem Seufzer der Erlösung fiel der Kopf in den Sand zurück, als Gerschon seinen ärgsten Durst gestillt hatte. Er murmelte einen kaum verständlichen Dank.
»Was ist mit deinem Fuß passiert?«, wollte Jona nun wissen.
»Eine Schlange hat mich… gebissen… beim Abstieg in eine... Schlucht... nicht weit von hier«, antwortete
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