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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Timon. »Wir könnten es vermutlich sogar in zwei Tagen schaffen, wenn wir uns alles abverlangen. Aber warum sollen wir uns ohne Grund so verausgaben? Unsere Verfolger haben längst unsere Spur verloren, das steht für mich fest. Deshalb ist es auch ratsamer, wenn wir jetzt keine falsche Eile an den Tag legen und mit unseren Kräften ein wenig haushalten.«
    »Soll mir recht sein«, sagte Jona.
    Der Pfad führte zwar in der Tat am Ufer des Toten Meers entlang, aber er erwies sich dennoch als recht beschwerlich. Einmal ganz davon abgesehen, dass er den Namen Pfad kaum verdiente. Die Berge stießen nämlich immer wieder bis an den See, sodass der schmale, mit Geröll und Felsbrocken jeder Größe übersäte Uferstreifen jedes Vorankommen zu einer schweißtreibenden Mühsal machte.
    Der Fuß der Berge bestand überwiegend aus Kalk- und Feuerstein. Wie sehr der starke Salzgehalt des Toten Meers alles Leben abtötete, wurde auf Schritt und Tritt offensichtlich. In den flachen Vertiefungen der niedrigen Strandfelsen, die bei höherem Wasserstand bedeckt waren, hatten sich fingerdicke Salzkrusten gebildet. An einigen überhängenden Felsen, die bei bewegtem Wellengang regelmäßig mit Seewasser angespritzt wurden, hingen sogar handlange und schneeweiße Zapfen aus reinstem Salz herab.
    Was Jona jedoch am meisten verwunderte, waren die dicken Äste und Stämme, auf die sie immer wieder zwischen den Uferfelsen stießen, viele von ihnen mit einer weißlichen Salzkruste bedeckt.
    »Wo kommen die denn bloß her?«, rätselte Jona. »So nah am Wasser wächst hier doch weit und breit nicht mal ein mickriger Strauch, geschweige denn ein gestandener Baum!«
    Timon wusste die Antwort. »Das ist Treibholz aus dem Jordan und den anderen Flüssen, die in das Tote Meer fließen. Bei den heftigen Winterregen schwellen die Flüsse an und dann reißen sie häufig Weiden und andere Bäume aus ihren Ufern. Hier bleibt das Treibholz dann liegen, wenn der Wasserspiegel im Sommer wieder absinkt.«
    »Kein Name ist passender für diesen so trügerisch klaren See als der des Toten Meeres«, sagte Jona, der es nicht erwarten konnte, dieser lebensfeindlichen Öde so bald wie möglich zu entkommen.
    »Ja, hier befindet sich der ewige Sitz des Todes«, pflichtete Timon ihm bei und ließ seinen Blick noch einmal über die Spiegelfläche gleiten, auf die der Himmel seine vielfältigen Blautöne malte, bevor sie ihre mühsame Kletterpartie über die Felsbrocken fortsetzten.
    Am frühen Abend des zweiten Tages führte sie ihr Weg ein gutes Stück vom See weg landeinwärts. Sie gelangten in eine kleine Bergschlucht, in der mehrere Naturhöhlen einen guten Unterschlupf für die Nacht boten. Hier und dort wuchsen zwischen dem Gestein dürre Stauden, die sich für ein kleines Kochfeuer bestens eigneten. Ihr Vorrat an Brotfladen war erschöpft, aber sie hatten noch Mehl und wollten sich auf der glühenden Asche einige frische Fladen backen.
    Die Schatten der hereinbrechenden Nacht ergriffen schon von der Bergschlucht Besitz, als ihr Feuer in sich zusammenfiel und sich eine dünne Schicht Asche über die Glut legte. Jona würzte das Mehl mit dem Salz, das sie am Strand des Toten Meers gefunden hatten, und formte daumendicke Fladen aus dem schnell angerührten Teig. Indessen legte Timon einen ihrer halb leeren Wasserschläuche zwischen ihnen auf den Boden, drückte in Ermangelung eines Napfes eine kleine Vertiefung oben in das Leder und goss etwas Öl und Traubensirup in die Vertiefung, worin sie gleich die noch heißen Brotbrocken tunken wollten.
    Gerade hatte Jona zu seinem Hirtenstab gegriffen, um die Glut noch etwas mehr zusammenzuschieben, als aus der Dunkelheit der hinter ihnen liegenden Höhlen ein Geräusch von polternden Steinen und hastig schlurfenden Schritten kam.
    Die Erkenntnis, dass sie an diesem unwirtlichen Ort keineswegs allein waren, ließ sie alarmiert aufspringen und herumfahren.
    Im selben Augenblick gellte ein schriller, fast unmenschlicher Schrei durch die Schlucht, wie ihn Jona noch nie zuvor gehört hatte. Der Schrei, der an Tobsucht und wahnsinnigen Schmerz denken ließ, war dazu geschaffen, einem das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.
    Zu Tode erschrocken, starrte Jona auf die seltsame Gestalt, die aus einer der nahen Höhlen auf sie zustürzte, mit dreckigem, zerrissenem Gewand, fliegenden Haaren, wild verzerrtem Gesicht - und mit einem hoch erhobenen Schwert in der Hand. Wie ein Geisterwesen stürmte die breitschultrige Gestalt

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