Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
mit merkwürdig humpelnden Schritten auf sie zu, ohne dass der grauenhafte Schrei abbrach.
Jona stand dem Angreifer am nächsten und auf ihn richtete dieser nun die breite Klinge seines Kurzschwertes. Der Mann brüllte plötzlich etwas Unverständliches und wurde sichtlich langsamer. Sein rechtes Bein knickte bei jedem Schritt ein.
Timon bückte sich nun nach seinem Hirtenstab und schrie Jona etwas zu.
Jona nahm es nicht bewusst wahr. Ihm rauschte das Blut in den Ohren. Er sah nur den humpelnden Mann und das Schwert, mit dem der Angreifer nach ihm ausholte.
Jetzt kam der Streich, der ihn töten sollte!
Schwerfällig schnitt die Klinge durch die Luft.
Leichtfüßig sprang Jona zur Seite und wunderte sich im selben Augenblick, wie leicht es ihm der Angreifer gemacht hatte, dem tödlich gemeinten Hieb zu entkommen.
Der Schrei des Fremden nahm einen aufheulenden Klang an und kletterte in noch kreischendere Höhen, während der Mann sich merkwürdig mühsam und halb zur Seite geneigt zu ihm umzudrehen versuchte.
»Du hast deine Chance gehabt!«, stieß Jona grimmig hervor. »Jetzt bin ich mit dem Austeilen an der Reihe!« Und im selben Moment schlug er mit seinem Hirtenstab zu. Rücken und Nacken des Fremden nahmen ein gut Teil der geballten Kraft auf, die er in seinen Schlag gelegt hatte. Aber der Stab traf ihn noch heftig genug am Kopf, um ihn wie einen gefällten Baum ohnmächtig zu Boden stürzen zu lassen. Das Schwert entglitt dabei seiner kraftlosen Hand und fiel mit metallischem Klirren auf die Steine.
»Alle Achtung!«, rief Timon voller Staunen. »Der Schlag hat wirklich gesessen!«
Aufgewühlt und zugleich verblüfft von dem Geschehen, stand Jona über der reglos am Boden liegenden Gestalt. Wer war dieser Mann? Und was hatte sein merkwürdig unbeholfener Angriff bloß zu bedeuten gehabt?
5
»Sieh dir das hier mal an, Jona!« Timon deutete auf den rechten Fuß des Bewusstlosen und warf schnell noch einige der trockenen Stauden auf die Glut, damit Flammen hochzüngelten und sie mehr Licht hatten.
Sie hatten den Mann, der vom Alter her ihr Vater hätte sein können und ein von Narben übersätes Gesicht besaß, auf die Seite gedreht, ihm die Arme auf den Rücken gefesselt und wollten ihm gerade auch noch die Beine zusammenbinden, bevor er wieder zu sich kam und ihnen erneut gefährlich werden konnte.
»Allmächtiger!«, stieß Jona unwillkürlich hervor, als er sich zu Timon hinunterbeugte und den rechten Fuß des Fremden sah, der um das Gelenk herum um fast das Doppelte seines gewöhnlichen Umfangs angeschwollen war. Die Schwellung, die eine gefährliche Verfärbung und über dem Knöchel eine blutige, eitrige Wunde aufwies, reichte bis zu den Zehen und setzte sich auch nach oben hin fort. »Jetzt verstehe ich auch, warum er so markerschütternd geschrien hat. Er muss bei jedem Schritt höllische Schmerzen gehabt haben!«
»Ein Wunder, dass er mit dieser Verletzung überhaupt noch einen Schritt hat machen können! Er muss wirklich halb wahnsinnig vor Schmerzen gewesen sein, als er da aus der Höhle gestürzt ist. Warum hat er das bloß getan?«, fragte sich Timon verwundert. »Er hat doch wissen müssen, dass er es in seinem Zustand nie und nimmer mit uns beiden aufnehmen konnte. Weder das Schwert noch der Vorteil der Überraschung hat diese böse Verletzung auch nur halbwegs wettgemacht. Er war für solch einen Angriff einfach nicht schnell genug auf den Beinen. Und um das zu wissen, brauchte er kein Prophet zu sein. Also warum hat er es dennoch versucht?«
Jona zuckte die Achseln. »Vielleicht aus Verzweiflung? Was weiß ich. Er wird uns das schon selber verraten müssen.«
»Na, das Fesseln der Beine können wir uns jedenfalls sparen. Der läuft uns nicht weg!«
»Ich bin dafür, dass wir uns erst einmal in der Höhle umsehen, aus der er gekommen ist, um nicht noch weitere böse Überraschungen zu erleben«, schlug Jona vor.
»Gute Idee! Auch mein Bedarf an Überraschungen ist für heute gedeckt.« Timon bewaffnete sich mit dem Schwert, während Jona seinen soliden Hirtenstab in die Rechte nahm und mit der Linken einige trockene Stauden aufhob und in der Glut in Brand setzte.
Jede Faser im Körper angespannt und mit aufs Höchste wachsamen Sinnen näherten sie sich der Höhle. Als der Feuerschein durch die Öffnung ins Innere der Felsausbuchtung fiel, löste sich ihre enorme Anspannung von einer Sekunde auf die andere. Die Höhle war klein, mit einem Blick zu erfassen und barg keine weitere
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