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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Worte. Manchmal habe selbst ich diesen Eindruck. Man sagt sogar, er wäre ein ganz großer Prophet, wie Israel ihn schon seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen hat. Und manche versteigen sich sogar dazu, in ihm den lang herbeigesehnten Messias zu sehen, der uns von der Unterdrückung befreien wird. Aber derartige Reden hören die ausgebildeten Schriftgelehrten überhaupt nicht gern, ganz im Gegenteil. Sie stoßen sich heftig an seiner Art, die Schrift und ihre Gebote auszulegen. Ihnen ist er ein Dorn im Auge, hat er ihnen doch schon so manch erbittertes Wortgefecht geliefert, bei dem sie gar nicht gut ausgesehen haben.«
    »Und wie heißt dieser außergewöhnliche Nazoräer 36 ?«, wollte Timon nun wissen.
    Jakob lachte. »Also, für einen von Gott berührten und beauftragten Propheten trägt er einen ziemlich gewöhnlichen Namen, wie man ihn landauf, landab in jedem Dorf dutzendfach hört. Er heißt Jesus.«

3
    Dichter Morgendunst trieb am frühen Sabbatmorgen noch über Kapernaum und dem See Genezareth, und die noch matte und kraftlose Sonne warf gerade ihren ersten schwachen Schein auf das silbrig glänzende Wasser, als sie sich auf den Weg in die Synagoge machten. Nirgendwo zeigte sich ein Boot auf der weiten Fläche des galiläischen Meeres. Das Gebot der Sabbatruhe ließ alle Arbeit ruhen.
    »Ich wusste doch, dass es heute wieder einmal so voll wie selten sein wird, weil alle den Nazoräer reden hören wollen«, sagte Jakob, als sie sahen, wie die Menschen aus den Gassen und zum Bethaus strömten. »Gut, dass wir schon so früh aufgebrochen sind. Da bleibt heute kein Platz mehr frei. Die Leute werden bis vor die Tür stehen!«
    Das Bethaus war rechteckig in seiner Grundform und wie alle Synagogen nach Jerusalem ausgerichtet. Vom Vorraum ging eine kleine Kammer ab, und auf der rechten Seite führte eine Stiege in das obere Stockwerk auf die Empore, die den Frauen vorbehalten war.
    Jona und Timon begaben sich mit den anderen Männern und Jungen in den großen ebenerdigen Raum, der in Halbdunkel getaucht war. Auf den Bänken, die sich an den Wänden entlangzogen, hatten sich schon viele Menschen versammelt. Auf dem Fußboden machte Jona bunte Mosaiken aus, die Tiere und biblische Szenen darstellten. 37
    Den geistlichen Mittelpunkt bildete der Tora-Schrein, eine Art Schrank, in dem die Schriftrollen aufbewahrt wurden. Er befand sich an der Jerusalem zugewandten Schmalseite des Gebäudes unweit der Tür zum Versammlungsraum. Vor diesem Schrein brannte ein »Ewiges Licht« als Zeichen für das geistige Licht, das Gott unaufhörlich seinem auserwählten Volk Israel schenkte.
    Gleich neben dem Tora-Schrein standen die bequemen, mit Sitzkissen versehenen Scherenstühle für die Würdenträger und die Ältesten der Gemeinde. Dem Synagogenvorsteher 38 gebührte der vornehmste Platz, der »Sitz des Mose« genannt wurde. Er war ein gewöhnliches Mitglied der Gemeinde, das sich durch sein Wissen und sein Talent, nicht selten auch durch Beziehungen, als würdig erwiesen hatte, dieses Ehrenamt zu übernehmen und für die Ordnung während des Gottesdienstes zu sorgen. Andere Ehrenplätze befanden sich in dessen Nähe, sodass ein besonderer Gast sofort vom Eingang zu seinem Platz geleitet werden konnte.
    Vor dem Tora-Schrein und nahe bei den Ehrenplätzen stand auf einem Podest das Pult für den Lektor und Vorbeter.
    Jona, Timon und Jakob mit seinem Sohn Aaron hatten das Glück, auf der linken Seite noch einige freie Sitzplätze in der zweiten Bankreihe und fast auf der Höhe des Lesepultes vorzufinden. So würden sie das Geschehen dort gut im Auge behalten können.
     
     
    den sich in Wirklichkeit in zahlreichen Synagogen kunstvolle Wandmalereien und Mosaiken, die biblische Szenen, Pflanzen, Tiere, Menschen, astrologische Tierkreise und auch Engel darstellten.
    »Ist er schon da, dieser Jesus?«, fragte Timon leise, obwohl das allgemeine Stimmengewirr ein Flüstern gar nicht nötig machte. In einer Synagoge herrschte nie andächtige Stille, sondern es durfte munter geredet, gelacht und Klatsch ausgetauscht werden, bevor der Gottesdienst begann. Und auch dann herrschte nicht immer Ruhe auf den Bänken unten und oben auf der Frauenempore.
    Jakob ließ seinen Blick über die Ehrenplätze und dann durch den ganzen Versammlungsraum schweifen. »Nein, noch kann ich ihn nirgends entdecken.«
    »Wir werden ihn schon sehen, wenn er auf einem der vornehmen Sitze Platz nimmt«, meinte Jona.
    Jakob schüttelte mit einem belustigten

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