Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
unser Augenstern, das kostbare Kleinod unseres Herzens, wie du gewiss verstehen kannst.«
Jona nickte und wartete mit wachsender Spannung, warum ihm dieser Mann all das bloß erzählte. Die große Freundlichkeit und der Umstand, dass er ihnen seinen besten Wein vorsetzte, der es wahrlich in sich hatte, ließen darauf schließen, dass er etwas von ihm wollte. Aber er hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was das nur sein konnte. Was hatte er, der mittellose Fischergehilfe, einem so wohlhabenden Mann wie diesem Esra ben Haschum denn zu bieten, dass dieser sich so ins Zeug legte?
»Vor fünf Jahren verließ unsere geliebte Rahel unser Haus«, fuhr ihr Gastgeber nun fort. »Sie heiratete Hesed ben Elad, den ältesten Sohn eines Töpfers aus Jerusalem, der mit seinem Vater des öfteren geschäftlich bei uns in Kapernaum weilte. Dabei lernte er unsere Rahel kennen und die Dinge nahmen ihren Lauf. Wir ließen Rahel nur ungern so weit von uns wegziehen, aber Hesed war eine gute Partie, die wir unserer Tochter von Herzen gönnten. Die Töpfereien, die Hesed eines Tages von seinem Vater übernehmen wird, sind ein überaus respektables Geschäft und sie hat es gut bei ihm.« Er machte eine Pause, um sich einen weiteren kräftigen Schluck aus seinem Becher zu gönnen.
»Fünf Jahre sind vergangen, seit wir sie in die Ehe mit Hesed gegeben haben«, wiederholte Esra noch einmal, als er weitersprach. »Fünf lange Jahre, in denen wir, aber noch mehr unser Schwiegersohn und seine Familie, mit wachsender Ungeduld darauf gewartet haben, dass der Allmächtige sie mit Kindern segnet und sie einen Stammhalter zur Welt bringt. Schon fürchteten wir voller Kummer und Sorge, dass kein Segen über dieser Ehe lag und Rahel sich zu ihrer und unserer Schande und der ihres Mannes als unfruchtbar erweisen würde. Dann jedoch erreichte uns im Sommer die erlösende Nachricht, dass sie nun doch endlich empfangen hatte und ein Kind erwartet. Dem Herrn sei Lob und Dank!« Wieder hob er seinen Becher.
Jona und Jakob taten es ihm gleich und priesen mit ihm erneut den Allmächtigen.
»Und damit kommen wir zum Kern der Sache«, sagte Esra, nachdem er sich noch schnell mehrere Datteln einverleibt hatte. »Wir rechnen mit Rahels Niederkunft schon in wenigen Wochen. Und meine Frau möchte unbedingt zugegen sein und ihr hilfreich zur Seite stehen, wenn ihre Zeit gekommen ist. Deshalb haben wir beschlossen, uns auf den langen Weg nach Jerusalem zu machen. Zumal wir dann dort wieder einmal an der heiligen Feier des Passah-Festes 46 teilnehmen und im Tempel unser Dankopfer darbringen können. Auch kann ich dabei das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, indem ich eine Wagenladung Trockenfisch mit auf die Reise nach Jerusalem nehme, für den ich dort bestimmt einen hervorragenden Preis erzielen werde, strömen doch aus aller Welt ganze Heerscharen von Pilgern zum Passah-Fest in Gottes heilige Stadt.« Ein schwerer Stoßseuzer kam ihm über die Lippen, bevor er mit besorgtem Tonfall weiterfuhr: »Aber wir leben in einer unruhigen Zeit, und die Landstraßen sind unsicherer denn je, was wohl keiner besser zu beurteilen weiß als du, Jona. Denn Jakob hat mir einiges von dem berichtet, was du und dein Freund Thaddäus an Gefahren auf euren Wanderungen habt bestehen müssen.«
Jona warf Jakob einen raschen, bestürzten Blick zu, hatten sie ihn doch in ihre ganze Geschichte eingeweiht, auch dass sie ihrem Gutsherrn Berechja vor ihrer Zeit davongelaufen waren und eine Zeit lang bei Zeloten hatten Unterschlupf suchen müssen. Und er hatte ihnen völliges Stillschweigen zugesichert.
Jakob fing seinen Blick auf und verstand sofort, was ihn in diesem Moment ängstigte. Deshalb sagte er schnell, um seinen Verdacht zu zerstreuen: »Nun ja, allzu viel habe ich ihm nicht erzählt. Nur dass ihr großen Mut bewiesen habt, euch eurer Haut zu wehren wisst und auch mit räuberischem Gesindel fertig geworden seid. Das ist schon alles.«
Jona atmete erleichtert auf.
»Und das war mehr als genug, um mich zu der Überzeugung gelangen zu lassen, dass du genau der richtige Mann bist, Jona ben Joram!«, sagte der Fischhändler.
Jona runzelte die Stirn. »Der richtige Mann für was?«
»Um uns auf unserer langen Reise nach Jerusalem zu begleiten und für unseren Schutz zu sorgen!«, eröffnete Esra ihm nun.
Jona machte ein verblüfftes Gesicht. »Dein Zutrauen ehrt mich, Esra ben Haschum, aber ich glaube nicht, dass ich dieser Aufgabe gewachsen bin. Es stimmt, dass wir nicht
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