Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
anderen Lustbarkeiten verprasst, sodass er sich schließlich gezwungen sah, in einem dreckigen Stall mit Schweinen zu leben. Tiefer konnte man nicht sinken, galt doch jedem Juden das Schwein als das unreinste aller unreinen Tiere. Indessen nun war sein Bruder rechtschaffen auf dem väterlichen Hof geblieben und jahrelang stets allen Pflichten arbeitsam nachgekommen. Doch als nun der verloren geglaubte Sohn eines Tages reumütig zur Familie zurückkehrte, da kannte die Freude des Vaters keine Grenzen. Er ließ ihn in seine besten Gewänder kleiden, schenkte ihm einen teuren Ring und befahl, ein Mastkalb zu schlachten, um zu Ehren des verlorenen Sohnes ein Festmahl zu halten. Und er sagte: ›Wir wollen ein Freudenfest feiern; denn dieser, mein Sohn, war tot und ist wieder aufgelebt, er war verloren und ist wiedergefunden!‹ Da murrte der andere, der rechtschaffene Sohn, und warf ihm bitterlich vor, dass er ihm nie einen Ring geschenkt und ihm auch noch nie ein Festmahl ausgerichtet habe, dabei sei er doch all die Jahre treu seiner Arbeit auf dem Hof nachgegangen.
Und der Nazoräer verkündete, dass die Liebe des Vaters ebenso wie die Liebe Gottes keinen von seiner Großherzigkeit und seinem Erbarmen ausschloss, schon gar nicht den Reumütigen und zur Umkehr Bereiten. Gott rechne eben nicht auf wie ein Zahlmeister, und dem einen werde nichts genommen, wenn dem anderen, dem Sünder, gegeben werde.
Und so ging es in einem fort, ohne dass Jona und allen anderen Zuhörern bewusst wurde, wie lange sie schon den Ausführungen und Belehrungen des Nazoräers gebannt lauschten. Er sprach über die Frömmigkeit im Verborgenen, den Fluch des Mammons, über das Reich im Himmel, das man wie einen Schatz suchen und hüten müsse, sowie über die Bereitschaft, immer wieder aufs Neue zu vergeben, und vieles andere mehr.
Die Sonne stand schon tief, als Jesus auf einen Zuruf aus der Menge auf die strengen jüdischen Speisevorschriften zu sprechen kam. Und auf die Frage eines Zuhörers hin, woran sich ein gläubiger Jude denn nun zu halten habe, da doch die Schriftgelehrten die Gebote und Verbote immer enger fassten, da antwortete er zum Thema wahrer Reinlichkeit 10 : »Hört mich alle und begreift: Nichts kommt von außen in den Menschen hinein, was ihn verunreinigen kann, sondern das, was aus dem Menschen herauskommt, das ist es, was ihn verunreinigt! Und warum kann nichts von außen Kommende ihn unrein machen? Weil es nicht in sein Herz gelangt, sondern wieder herauskommt an seinem ihm gemäßen Ort. Nur was aus dem Menschen herausdringt, das macht den Menschen unrein. Denn von innen, aus dem Herzen eines Menschen, kommen die bösen Gedanken: Hurerei, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habsucht, Bosheit, List, Ausschweifung, der böse Blick, Lästerung, Stolz und Unbesonnenheit. All dieses Böse kommt von innen heraus und verunreinigt den Menschen!«
Mittlerweile war es schon spät geworden, und Jona bemerkte, wie die Jünger, die Jesus am nächsten standen, sichtlich unruhig wurden und immer wieder verstohlen zur tief stehenden Sonne deuteten.
Einige der Zuhörer erhoben sich auch schon widerstrebend, denn viele von ihnen hatten noch einen langen Weg nach Hause vor sich. Jeder war länger geblieben, als er eigentlich beabsichtigt hatte.
Ein stämmiger Mann mit einem dichten Vollbart trat zu Jesus, gefolgt von zwei anderen Jüngern, und leise redeten sie auf ihn ein, wobei offensichtlich der Stämmige das Wort führte.
»Das ist Petrus, der da gerade mit Jesus redet!«, sagte Timon zu Jona und zog ihn hoch. »Komm! Ich glaube, da gibt es was zu bereden. Lass uns hören, worum es geht! Da kannst du Petrus und Thomas gleich kennen lernen.«
Jona wäre zwar lieber geblieben, wo er saß, aber Timon ließ seinen Arm nicht los, und so folgte er ihm eiligen Schrittes hinauf auf den Hügel.
Sie hörten, wie Petrus gerade zu Jesus sagte: »Der Ort ist öde und die Zeit schon spät. Entlasse sie, Rabbi, damit sie in die umliegenden Gehöfte und Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen können.«
Zu aller Erstaunen antwortete ihm Jesus da: »Gebt ihr ihnen zu essen!«
»Wir sollen hingehen und für so eine riesige Menschenmenge Brot kaufen?«, wandte Petrus verständnislos ein. »Wir haben doch nur zweihundert Denare. Das Geld reicht nicht mal für ein Viertel der Leute, die sich hier versammelt haben!«
»Wie viele Brote habt ihr?«, wollte Jesus nun wissen.
»Fünf und zwei Fische!«, meldete sich der schlanke junge Mann an Petrus’
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