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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Ernestam
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auch?«
    »Ich will das jedes Mal. Es ist schwer zu erklären, warum ich es nicht tue. Aber ich will es trotzdem. Du staunst bestimmt darüber, dass ich so wenig fürsorglich bin, und ich glaube, auch deine Mutter würde wollen, dass ich auf dich aufpasse. Dieses Gefühl hatte ich, als ich sie besucht habe.«

    »Erklär es trotzdem. Kannst du nicht ausnahmsweise einmal sagen, wer du bist und was du denkst und fühlst? Erzählen, woher du kommst und wohin du im Leben willst. Was du von mir willst. Wenn du überhaupt etwas willst.«
    Anton schaute mich überrascht an.
    »Was bringt dich zu diesen Fragen?«
    »Nichts. Ich bin eben so. Und du. Und Lea, Ruben und Jakob. «
    Dann kam es. Meine Entdeckung von Lea in Carl Ottos Armen und er unter ihren Röcken, unser Gespräch im Café und ihre Erklärung. Dass Ruben sie wollte, dass er aber keine Frauen wollte und was das bedeutete. Alles war gesagt, ehe ich daran denken konnte, dass ich Lea vielleicht verriet, dass auf Anton vielleicht kein Verlass sei.
    »Du hast mir das ebenfalls gesagt. An dem Abend nach dem Essen. Ruben ist nicht so, hast du gesagt. Stimmt das? Was ist er dann? Und wer bist du? Der vor etwas flieht und stehlen will, es dann aber nicht tut. Der mit Ruben eng befreundet ist und elegante Kleider trägt. Der mich dazu bringt, zu …«
    »Wozu bringe ich dich?«
    »Beantworte zuerst meine anderen Fragen.«
    Anton machte eine Handbewegung und stieß das Tintenfass um. Die Tinte ergoss sich über Papiere und den Tisch. Er legte eilig ein Löschblatt darauf und antwortete mit abgewandtem Gesicht.
    »Wenn du über meine Freundschaft mit Ruben staunst, dann ist nichts daran so seltsam. Ja, ich weiß, wie es um ihn steht. Unverschuldet ist er in seinem eigenen Gefängnis gelandet. So zu leben, ohne das empfinden zu dürfen, was er will, das kannst du die Hölle auf Erden nennen. Er liebt seinen Gott und muss sich sagen lassen, dass es für solche wie ihn keinen Platz gibt. Kein Wunder, dass er versucht, eine Schuld, die er nicht hat,
durch gute Taten zu bezahlen. Kein Wunder, dass er in Lea einen festen Punkt gefunden hat. Ein Leben und einen Glauben daran, dass er gut genug ist. Diese Frau solltest du bewundern, Rakel. Und niemals verurteilen.«
    »Ist es denn richtig, was sie tut?«
    »Was heißt schon richtig. Wer bin ich, das zu beurteilen? Richtig ist wohl, wovon Jesus Christus uns sagt, dass es richtig ist. Wenn wir es nicht in unserem Herzen spüren.«
    »Lass Jesus hier aus dem Spiel. Den hast du doch erst in späteren Jahren kennengelernt. Dein Herz reicht. Kann man es verteidigen, dass Lea Ruben mit seinem eigenen Vater betrügt? «
    »Sie will etwas Gutes. Sie will niemandem wehtun, und sie wird es auch nicht. Dass eine Frau wie Lea solche Umwege einschlagen muss, ist eine andere Sache. Aber sie ist Realistin. Dazu ist sie gezwungen worden. Ich glaube, dass sie die Wahrheit sagt. Sie und Ruben können einander helfen und Dinge leisten, die größer sind als sie selbst. Denkst du nicht auch so, was eure Schwarzmarktgeschäfte angeht? Dass das, was ihr tut, anderen hilft und damit vertretbar ist?«
    Ich nippte an dem Wein und spürte, wie er auf meiner Zunge brannte, die vorhin erst Leas Beere gekostet hatte.
    »Und du und Ruben, ihr seid nur Freunde?«
    »Ja, das sind wir. Du bist doch auch mit anderen als deinem Verlobten befreundet, ohne dass daraus mehr wird? Du und ich sind doch wohl Freunde, auch wenn du Jakob gehörst?«
    Das Wort »Freunde« war schlimmer als alles andere. Antons Hand um das Weinglas. Der Mund, der ein wenig lächelte, nachdem er etwas Unbeschreibliches in Worte gekleidet hatte. Ich nahm meine Zuflucht in diesen Sekunden.
    »Freunde. Ja, danke. Du machst dir Sorgen um unsere Geschäfte, machst aber keinen Versuch, sie zu beenden, und versuchst
nicht, uns zu beschützen. Erklär mir also, wie ich dich eben schon gebeten habe, wovor du wegläufst und was du verbirgst. Auch wenn das seine Zeit dauert. Ich habe Zeit, Anton. Die ganze Nacht, wenn es sein muss.«
    Die ganze Nacht, und was das nun bedeuten mochte. Anton schenkte mehr Wein ein und trank auf eine Weise, wie ich sie nie gesehen hatte. Dann legte er die Unterarme auf die Knie.
    »Ich habe dir einmal erzählt, dass ich zu euch nach Fiskinge gekommen bin, weil ich so weit wie möglich von meiner Vergangenheit wegmusste. Die Wahrheit ist, dass ich fliehen musste. Vor der Polizei. Dem Rechtssystem, wie es genannt wird. «
    Er schaute zur Decke hoch, wie um etwas Göttliches

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