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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Ernestam
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keine Frauen, hatte Lea gesagt, und auf einmal sah ich, was ich bisher nicht wahrgenommen hatte. Anton, der Ruben einen scherzhaften Rippenstoß versetzte, Ruben, der Antons Knie streichelte. Zwei Männer in Eintracht und Streit, im Denken fast eins, so einig über alles, was richtig und gerecht war. Und doch, Freundschaft war Freundschaft, und diese hier war nichts anderes. Es hatte niemals Spannungen gegeben, niemals war etwas Unpassendes geschehen. Ich hätte es sehen müssen.
    Wir waren einige Wochen zuvor alle fünf im Krokängspark gewesen. Wir lauschten politischen Reden, warfen Pfeile, fuhren Karussell und tanzten. Jakob führte mich herum, Anton wirbelte Lea herum, bis sie nicht mehr konnte, während Ruben sich eine Zigarette ansteckte. Dass Jakob als einfacher Hafenarbeiter manchmal mit uns ausging, verstand sich. Anton fungierte wie Kitt, denn er war weder Herr noch Knecht. Eher war es Ruben, der sich außerhalb der Norm bewegte. Dass Jakob als mein Verlobter galt, half natürlich auch, auch wenn er es nicht bestätigen wollte, weder mit Worten noch mit einem Ring. Er bedrängte mich nicht und ließ mich selbstverständlich auch mit anderen tanzen. Sein Vertrauen war rührend. Er war wirklich liebenswert.

    Aber als wir tauschten, Antons Arm um meinen Rücken lag und die Kapelle einen Walzer spielte, wurde mir wieder bestätigt, was ich nicht wissen wollte. Ich hatte es nicht vergessen. Anton erkundigte sich nach meiner Arbeit bei Ottos, er fand, ich sollte kündigen und ein Studium aufnehmen. Von den Schwarzmarktgeschäften wusste er, hatte aber nichts dagegen, da Ruben über alles seine Hand hielt. Dass wir aufhören sollten, solange es noch so gut lief, war eine Selbstverständlichkeit.
    »Es ist nicht lustig, von der Obrigkeit gejagt zu werden, Rakel. Ich weiß, dass du es für deine Familie tust. Aber wenn sie davon wüssten, wären sie verzweifelt.«
    Er drückte mich fester an sich, damit niemand es hören könnte. Seine Worte waren warm an meinem Hals, und ich antwortete zwischen den Atemzügen, dass ich wüsste, was ich tat, und fragte, warum ihn das interessierte. Ich wollte ihn provozieren, konnte aber nur der Art, wie er mich hielt, entnehmen, dass ich ihm irgendetwas bedeuten musste.
     
    Anton seufzte und sagte, wenn ich je zur See gefahren wäre, würde ich verstehen, dass es eine Übermacht gab, egal, wie tüchtig der Kapitän zu sein glaubte. Er behauptete, wenn er die Zeit zurückspulen könnte, würde er es tun und dann mit mir über andere Dinge sprechen. Dann führte er mich zurück zu Jakob.
    Ohne zu wissen, wie es geschehen war, stand ich nun plötzlich vor Antons Haus. Es war schon spät, aber der Abend war noch immer ziemlich hell. Der Hungeraufstand einige Tage zuvor war niedergeschlagen worden, und die Straßen wirkten trügerisch ruhig. Ich öffnete die Haustür, stieg die Treppen hoch und klopfte an Antons Tür. Erst jetzt ging mir auf, was ich tat, aber ich dachte, ich müsste mir einfach Gewissheit verschaffen.
    Er öffnete sofort. Seine Haare sahen aus, als sei er zerstreut
mit der Hand hindurchgefahren. Auf dem Tisch sah ich einen Stapel Papier, daneben Tinte und Feder, und am Rand des Tisches stand ein Weinglas. Die Petroleumlampe leuchtete, wie die Kerze im Holzleuchter, und das Zwielicht vermittelte Arbeitsruhe. Anton trug eine schlichte Hose und ein ebensolches Hemd. Seine Überraschung war echt, wie anschließende Freude.
    »Rakel. Was machst du denn hier?«
    Er führte mich ins Zimmer und nahm mir meinen Mantel ab. Ich schaute mich um, dachte, dass er nur das Notwendigste hatte. Ein Bett, einen Tisch, einen Stuhl und einen Schrank. Wein auf dem Tisch und den Wunsch nach zusammenhängenden Gedanken. Ich setzte mich auf das Bett, faltete auf meinen Knien die Hände und betete für das, wofür zu beten ich niemals für möglich gehalten hätte, auf diese Weise und in diesem Zimmer.
    »Kann ich ein Glas Wein haben?«
    Er war klug genug, nicht nein zu sagen. Stattdessen holte er ein sauberes Glas und gab einen kleinen Schluck hinein. Er reichte mir das Glas mit besorgter Miene.
    »Trink vorsichtig. Wenn …«
    »Ich bin keine dreizehn mehr.«
    »Ist etwas passiert? Sag nicht, dass die Polizei euch auf die Schliche gekommen ist. Ruben hat mir versichert, dass keine Gefahr besteht. Aber es gefällt mir überhaupt nicht, dass du zusammen mit Lea die Kunden empfängst.«
    »Jakob hält fast immer Wache. Und wenn dir das solche Sorgen macht, warum tust du das nicht

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