Der Geheime Orden
entfernt. Ich konnte den Baum nicht mehr ausmachen, konnte das Bündel von Lichtkegeln aber ungefähr dort sehen, wo wir uns eben noch befunden hatten. Dalton hockte sich hinter einen großen Baum, öffnete seinen Rucksack und zog ein Fernglas heraus.
»Nachtsichtgerät«, sagte er. »Fünffache Vergrößerung mit eingebautem Infrarotstrahler. Jäger lieben diese Dinger. Machen die Nacht zum Tag.«
Er änderte ein paar Einstellungen an den Linsen, bevor er sich das Glas vor die Augen hielt. Wir saßen ein paar Minuten da, während er zur Grabstätte zurückschaute und ich zu ihm, wobei ich mich fragte, was er wohl gerade sah.
»Das muss man ihm lassen«, sagte Dalton. »Dieser Bastard ist wirklich unermüdlich.« Er reichte mir das Fernglas.
Ich stellte es auf meine Augen ein und richtete es auf die Lichtkegel. Ich wusste sofort, von wem Dalton gesprochen hatte. Brathwaite trug denselben Trenchcoat und dieselbe Fischermütze wie zuletzt. Er schaute auf die Gräber hinunter und sagte etwas zu den anderen Männern. Einer von ihnen war klein und dickbäuchig, mit breiten Schultern. Irgendetwas an ihm sagte mir, dass er körperliche Arbeit gewohnt war. Er hatte eine breite Nase und zerzaustes schwarzes Haar. Im Unterschied zu den beiden anderen Männern trug er weder Hut noch Handschuhe. Als er auf den Boden deutete, sah ich den Revolver in seiner Hand.
»Der Kleine hat eine Waffe«, sagte ich, ohne das Fernglas abzusetzen. »Brathwaite sagt gerade etwas zu ihm.«
Das Gesicht des dritten Mannes konnte ich nicht erkennen, da sein Kopf in meine Richtung gewandt war. Er war nicht so groß wie Brathwaite, aber immer noch einige Zentimeter länger als der Mann mit dem Revolver. In der linken Hand hielt er einen Stock, in der rechten eine Taschenlampe. Er trug einen schweren Mantel und einen passenden Hut, der ziemlich teuer aussah. Brathwaite deutete auf etwas, das am Boden lag, woraufhin der dritte Mann sich so weit drehte, dass ich einen kurzen Blick auf sein Gesicht werfen konnte. Es war nur für einen kurzen Augenblick, aber ich erkannte ihn sofort. Seine Bewegungen waren gemessen, sein Ausdruck ernst. Stanford Jacobs stand über dem Grab von Erasmus Abbott.
27
Es war fast drei Uhr morgens, als wir mit den sterblichen Überresten von Erasmus Abbott, die friedvoll auf dem Rücksitz ruhten, wieder nach Cambridge hineinfuhren. Wir waren uns einig, dass wir uns auf jeden Fall zusammensetzen und die Passage, die in die Urne graviert war, Wort für Wort mit dem Glaubensbekenntnis der Altehrwürdigen Neun vergleichen sollten. Sie sahen sehr ähnlich aus, doch keiner von uns beiden hatte den Text im Kopf, und die geheimnisvolle englische Orthographie war so seltsam, dass es schwer zu erkennen sein würde, ob Wörter geändert worden waren.
Während unser Ausflug zumindest eine wichtige Frage beantwortet hatte – ob nämlich Erasmus Abbotts Leiche jemals gefunden wurde – ließ er ein paar andere unbeantwortet. War er in jener Nacht im Delphic ermordet worden? Wenn nicht, warum war er dann die ganze Zeit verschwunden? Warum sprach seine Familie nie darüber, was geschehen war? Und warum hatten die Medien seiner Rückkehr keine größere Beachtung geschenkt? Je mehr Möglichkeiten wir bedachten, desto frustrierter wurden wir, weil wir allmählich erkannten, dass einige Antworten wohl für immer verloren waren.
»Wir können diese ganzen Theorien vergessen, dass Abbott entführt oder heimlich weggeschafft worden ist, um den Rest seines Lebens in der Anonymität zu verbringen«, sagte ich. »Die Daten auf dem Grabstein sagen, dass er neunzehn Jahre alt geworden ist, und genau in dem Alter ist er in jener Nacht in den Delphic Club eingebrochen.«
»Ich habe keinen Zweifel mehr daran, dass er in dieser Nacht umgebracht worden ist«, sagte Dalton. »Aber mittlerweile frage ich mich, wie viele Leute davon wussten und wann sie es seinem Vater erzählt haben.«
»Sie haben Collander Abbott wahrscheinlich sofort informiert«, sagte ich. »Er war definitiv Mitglied der Altehrwürdigen Neun. Warum sonst waren Brathwaite und Jacobs heute Abend dort, wo eines ihrer größten Geheimnisse begraben liegt? Ich wette, dass Abbott wusste, dass der Tod seines Sohnes möglicherweise die Geheimnisse des Clubs ans Tageslicht bringen würde, also war er bereit, den Tod seines Sohnes geheim zu halten und den ganzen Fall im Sande verlaufen zu lassen.«
»So weit, so gut«, sagte Dalton, »aber warum sollte er denselben Text, der in dem
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