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Der Geheime Orden

Der Geheime Orden

Titel: Der Geheime Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Smith
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nicht mehr erkennen, doch ich hörte ihn schniefen. Er legte die Hände vors Gesicht, was keinen Zweifel mehr daran ließ, dass er weinte. Es war schwer, kein Mitleid mit ihm zu haben, auch wenn es lächerlich war, dass jemand so sehr darunter litt, nicht in einen Club aufgenommen zu werden, der mit der wirklichen Welt ohnehin nichts zu tun hatte.
    »Komm, lass uns reingehen«, sagte ich und packte ihn an den Schultern. »Sonst erfrierst du hier draußen, und wer weiß, was ich dann für einen Mitbewohner am Hals habe.«
    Percy nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette, bevor er sie ins Gras schnipste. Ich hatte das Gefühl, er hoffte darauf, das Gras würde Feuer fangen, doch die Kälte ließ die Kippe schnell verglimmen. Lautstark johlende Studenten kehrten von einer langen Partynacht heim, wurden vom Wind aus dem Westhof hereingetrieben und verschwanden in ihren Eingängen. Ich stand auf und zog Percy an den Achseln hoch, bis er stolpernd auf die Beine kam. Es ist schon seltsam, welche Kapriolen das Leben manchmal schlägt. Dieser reiche Erbe, von dem ich glaubte, dass er alles besaß, was man sich nur vorstellen konnte, und der sich eigentlich wie der König der Welt fühlen müsste, wird total aus der Bahn geworfen wegen einer Sache, die uns anderen völlig unwichtig erschien. Und da gab es mich, der nicht einmal zehn Dollar auf dem Konto hatte, aber trotzdem versuchte, ihm gut zuzureden und weiszumachen, dass die Welt vollkommen in Ordnung sei. Jemand hatte mir einmal gesagt, dass der Unterschied zwischen einem armen und einem reichen Menschen darin bestand, dass der reiche Mensch einfach nur größere Probleme hatte als die anderen. Ich musste an diese Worte denken, als ich Percy in jener Nacht von der Eingangstreppe zurück in unsere Zimmer schleppte.
    Als ich ihn endlich in seinem Bett hatte, beugte ich mich zu ihm hinunter und drückte ihn ganz fest. Zuerst ließ er die Arme liegen, doch bald schon spürte ich sie auf dem Rücken.
    Nachdem er sich von mir gelöst hatte, sagte er: »Ich habe keinen blassen Schimmer, wie ich meinem Vater beibringen soll, dass ich es nicht geschafft habe.«
    »Sag ihm, dass diese Typen Armleuchter sind«, sagte ich. »Und dass du nicht das Gefühl hattest, ihnen die nächsten zweieinhalb Jahre deines Lebens opfern zu sollen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das würde Vater mir nicht abkaufen. Ich weiß schon, was er sagen würde: ›Die Welt ist voller Arschlöcher, und wir können nichts daran ändern. Wir müssen weitermachen und tun, was wir immer schon getan haben. ‹«
    »Naja, wenn du erst mal darüber geschlafen hast, wird dir schon was einfallen, wie du es ihm beibringen kannst«, sagte ich und ging zur Tür. »Du musst erst mal einen klaren Kopf bekommen und dich auf Vordermann bringen.«
    Ich war fast schon durch die Tür, als er sagte: »Übrigens, heute Abend war ein Mädchen hier und hat nach dir gefragt. So eine Kleine mit schiefen Zähnen. Ich glaube, ihr Name war Stromstein oder Hamburger oder so ähnlich.«
    Ich lachte. »Du meinst Stromberger?«
    »Ja, so in der Art.«
    »Hat sie gesagt, was sie wollte?«
    »Sie sprach davon, dass sie irgendwelche guten Nachrichten für dich hätte und dass du sie bei der nächsten Gelegenheit anrufen sollst.«
    Ich hatte fast schon vergessen, dass sie mich wegen der Ausgabe von 1604 und der fehlenden Seiten zurückrufen wollte.
    »Übrigens, was ist eigentlich mit deinem Ring am kleinen Finger passiert?«, fragte ich.
    Er schaute auf seine Hand hinunter; dann winkte er ab. »Ich hab den verdammten Ring abgestreift und weggelegt.«
    »Warum?«
    »Heute Abend habe ich Schande über den Namen der Hollingsworths gebracht. Ich bin nicht würdig, den Familienring zu tragen.«
    Als ich wieder in meinem Zimmer war, lag ich fast noch eine Stunde wach im Bett. Mein ganzes Leben hatte ich zu Gott gebetet, er möge meine Mutter und mich reich machen und uns die Möglichkeiten geben, die die Menschen um uns herum hatten. In jener Nacht aber begriff ich, dass reiche Leute ihre eigenen Bürden zu schleppen hatten und ihre eigenen Narben mit sich herumtrugen. Bei all ihrem Geld und ihren Spielzeugen hatte ich doch eine Sache, die Jungs wie Percy fehlte – wahres Glück.

28
     
    Als ich am Samstagabend endlich die Eingangshalle des Boston Garden erreichte, hatte ich schon zwei Schlachten geschlagen und nur um Haaresbreite überlebt. Die Rote Linie, die vom Harvard Square in die Innenstadt führte, war bis zum Anschlag voll gepfropft, und

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