Der geheime Tunnel: Erotischer Krimi (Gay Erotic Mystery) (German Edition)
Mädels im Wartezimmer. »Wie aufregend!«
»Setzen Sie sich, Mitchell.« Ich sah nur die Spitze von Gladys’ Kopf, gekrönt von einem dicken grauen Dutt. »Sie werden aufgerufen.« Eine fleckige Hand schoss empor, und die Luke war wieder geschlossen.
»Sie habe ich ja noch nie gesehen«, sagte das Bübchen mit den Haarklammern und schlug die Beine übereinander. »Sie sind neu hier.« Es klang wie ein Vorwurf.
»Nun, eigentlich will ich –«
»Haben Sie schon in Amerika gedreht? Kennen Sie D.W. Griffith? Lillian Gish?«
»Nein, ich bin kein –«
»Sollen wir ein wenig proben? Ich könnte Ihren … Text etwas aufpolieren.«
»Der braucht deine Hilfe nicht«, sagte Clara Bow. »Für mich sieht er wie ein Ladykiller aus.«
»Ha! Träum weiter, Betty! Wenn hier irgendwer gekillt wird, dann sicher nicht du.«
»Genug Witze mit Killern«, sagte der einzige Mann im Raum, der heterosexuell wirkte, ein hübscher Bursche mit dunklem Haar und einem markanten Grübchen am Kinn. »Unter diesen Umständen …«
»Welchen Umständen?«, fragte ich.
»Ach, das wissen Sie nicht?«, kreischte der mit den Haarklammern. »Daisy ist in einen Mordfall verwickelt. Eine furchtbare Geschichte.« Er senkte die Stimme. »Ich wäre ja nicht überrascht, wenn Bertie ihr das eingebrockt hätte, um sie aus dem Weg zu haben. Ich meine, das ergäbe durchaus einen Sinn –«
»Du hältst jetzt besser deinen Mund«, sagte der mit dem Grübchen. »Du weißt überhaupt nichts über die Sache.«
»Ich weiß eine ganze Menge«, sagte der mit den Haarklammern. »Und was ich nicht weiß, kann ich leicht erraten.«
Die Luke ging auf. »Billy Vain und Betty LaMarre!«
»Oh, wir sind an der Reihe, Liebes«, sagte der mit den Haarklammern und schnappte sich eines der blonden Mädchen, das in ein Filmmagazin versunken war. »Wünscht uns Glück!«
»Hals- und Beinbruch«, sagte Clara Bow.
»Ja, am besten beiden Beine«, murmelte der mit dem Grübchen.
Mit jeder Menge Händewedeln verabschiedeten sich Billy und Betty. Nun waren wir zu sechst im Wartezimmer: Clara Bow, der mit dem Grübchen, eine weitere dunkeläugige Blondine, die kaum von Betty LaMarre zu unterscheiden war, und zwei junge Männer. Der eine war ganz offensichtlich eine Tunte; er leckte sich die Finger, während er in einer Zeitschrift blätterte, und gelegentlich richtete er eine seiner wasserstoffblonden Schmachtlocken, während er die Welt durch tote Augen betrachtete. Der andere war wesentlich interessanter für mich, ein kleiner, sommersprossiger Rotschopf, der aussah wie ein Bauarbeiter. Er war nervös, rauchte wie ein Schlot und wirkte hier fast ebenso fehl am Platz wie ich.
»Also, worauf stehst du, Buddy Rogers?«, fragte Clara Bow und blies einen langen Strom von Rauch in meine Richtung – auf der Leinwand mag das verführerisch wirken, aber im wahren Leben ist es ekelhaft.
»Ich? Auf dasselbe wie du wahrscheinlich«, antwortete ich.
Die beiden zeitschriftenlesenden Blondinen kicherten.
»Komisch«, sagte Clara, »du wirkst gar nicht so. Aber heutzutage kann man sich nie sicher sein.«
»Wie lautet eigentlich der … ähm … Titel des Films?« Mir war bewusst, dass wir hier zum Vorsprechen waren. Meine Frage rief weiteres Kichern und Schnauben bei den Blondinen hervor.
»Ach, Schatz«, sagte Clara mit rauchiger Stimme, »ich weiß nicht, ob diese Filme überhaupt je einen Titel haben. Wie ist das, Clive? Du hast doch schon in genügend mitgemacht, um das zu wissen.«
Der mit dem Grübchen wurde rot und strich sich nervös das Haar aus der Stirn. »Kann ich nicht sagen.«
»Nehmen wir nur mal Clive hier«, fuhr Clara fort. »Wenn man ihn sich anschaut, könnte man meinen, er sei ein – ich weiß nicht – ein Bankangestellter, ein Lehrer, ein Soldat oder so, meinst du nicht auch? Auf jeden Fall etwas Normales.«
»Halt den Mund, Vicky.«
»Ein Familienvater mit Frau und Kleinkind in einem Vorstadthäuschen. Liest jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit im Zug die Zeitung, verrichtet sein ehrliches Tagewerk und fährt jeden Abend zurück ins traute Heim, wo ihn schon das Abendbrot erwartet.«
»Um Himmels willen.« Clive stand auf und ging zur Tür.
»Nicht so unser Clive. Er hat andere Mittel und Wege gefunden, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen, nicht wahr, Liebling? Und die sind wesentlich interessanter, als in einer Bank Dokumente zu wälzen. Nun, es gibt solche und solche, sage ich immer. Ich verurteile niemanden.«
»Das ist auch ganz gut so«,
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