Der geheime Zoo. Auf der Jagd nach den Yetis

offenes Gehege voller Bäume, Pflanzen, Bäche und lauter Wasserfälle. Hunderte von Schmetterlingen flatterten hierhin und dorthin und bildeten bunte Farbtupfer im Grün. Überall hingen Netze.
    Noah ging den Besucherweg entlang, tauchte unter einem Geländer durch und betrat den abgesperrten Bereich des Geheges. Die Gruppe lief unter Zweigen hindurch, über Bäche und um eine Felsformation herum. Dort führte eine schmale Treppe in den Boden. Die Pendler stiegen sie hinab.
    Das dunkle Ende der Treppe öffnete sich in einen Gang. Als Noah weiterging, schalteten sich nacheinander Lampen an. Richie schrie erschrocken auf, aber Ella brachte ihn zum Schweigen. Ein kurzer Tunnel von etwa drei Metern erstreckte sich vor ihnen und endete in einer Gabelung. Die Gruppe ging bis dorthin und spähte rechts und links in die Gänge. Jeder der beiden Tunnel war etwa fünfzehn Meter lang und besaß wieder fünf oder sechs Öffnungen in neue Tunnel. Vor den Eingängen hingen Samtvorhänge.
    «Sind sie das?», fragte Ella.
    «Ein Teil», antwortete Tank. «Aber die Grotten sind riesig.» Er drängte sich an den vier Scouts vorbei und bog in den rechten Tunnel ein. «Hier lang.»
    Alte Mauersteine bildeten die Wände und die gewölbte Decke. Moos wuchs am Rand des erdigen Bodens. Über jedem Vorhang war ein goldenes Schild angebracht; auf dem ersten stand Herrliche Hippos , auf dem zweiten Straußeninsel .
    «Setzt euch mal einen Augenblick hin», sagte Tank. «Ich will euch was über die Grotten erzählen.»
    Die Scouts ließen sich auf dem Boden nieder und lehnten sich an die kühle Wand.
    Tank legte die Handflächen zusammen und schritt wie ein Lehrer vor ihnen auf und ab.
    «Die Grotten sind nichts anderes als ein paar ganz normale Tunnel, die unter dem Zoo von Clarksville verlaufen. Sie liegen am Rand des geheimen Zoos, aber nicht im geheimen Zoo. Die Grotten haben jedoch Zugänge.» Tank berührte den Samtvorhang hinter ihm. «Portale. Diese sind magisch, wie ihr ja wisst. Manchmal führen sie zu Sektoren des geheimen Zoos. Manchmal führen sie an Orte innerhalb des Zoos von Clarksville, zu Gehegen oder anderen Plätzen – so wie dieser hier …» Tank klopfte mit den Knöcheln gegen das goldene Schild über dem Vorhang hinter ihm. Darauf stand Grotten ONO .
    «Weiß jemand, wie man einen Kompass liest?», fragte Tank.
    Als Richie den Arm hochriss, fragte er: «Dann sag mir mal, für was ONO steht.»
    «Ostnordost», antwortete Richie.
    Tank blinzelte ihm zu. «Du sagst es. Ein Kompass zeigt die vier Himmelsrichtungen an – Norden, Süden, Osten und Westen. Zwischen diesen vier Himmelsrichtungen liegen die Mischpunkte – Nordosten, Südosten und so weiter. Und dann hat man noch die Punkte, die wiederum dazwischen liegen: Nordnordosten, Westsüdosten. Insgesamt gibt es also für die Himmelsrichtungen sechzehn Punkte auf einem Kompass.»
    «Gott sei Dank haben wir die Kompasse durch Satelliten ersetzt», meinte Ella.
    «Dieser Tunnel» – Tank deutete wieder auf das Schild mit der Aufschrift Grotten ONO  – «führt zum ost-nordöstlichen Ende der Grotten.»
    «Das ist ja genau bei meinem Haus», meinte Noah.
    «Ja, ziemlich in der Nähe. Und von dort kann man wieder zu anderen Tunneln der Grotten wechseln, zu Orten im Zoo von Clarksville oder zu Sektoren des geheimen Zoos.»
    «Warum gibt es all diese verrückten Tunnel eigentlich?», fragte Ella. «Ich meine, warum nutzt man nicht bloß die direkten Zugänge zum geheimen Zoo, und die Plätze im städtischen Zoo erreicht man eben von draußen?»
    «Das geht nicht schnell genug», meinte Tank. «Und man ist für jeden sichtbar.»
    «Aber …»
    «Warte mal, lass mich erst erklären. In den ersten Jahren des städtischen Zoos besaßen wir nichts anderes als die direkten Zugänge zum geheimen Zoo. Die Grotten existierten noch gar nicht. Aber als DeGraff unsere Grenzen bedrohte, mussten wir sie besser schützen. Die Tiere bewachten die Portale in ihren Gehegen, und die Sicherheitswachen patrouillierten den gesamten Zoo von Clarksville. Außerdem stellten wir das erste Team menschlicher Pendler zusammen.
    Eine Weile reichte das aus, um die geheimen Bewohner zu schützen. Doch dann kam der Aufstand der Yetis. Hunderte wurden getötet, und ein Teil der Stadt der Artenvielfalt zerstört. Alles veränderte sich – auch die Einstellung der Bewohner, und bald regierte die Angst. Die Descender wurden geboren und bildeten unsere Armee. Die meisten waren Nachkommen der Leute,