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Der Geheimnistraeger

Der Geheimnistraeger

Titel: Der Geheimnistraeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kanger
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spielte keine Rolle, man würde ihn ohnehin nicht erwarten. Unwillkommene Gäste kamen immer zum falschen Zeitpunkt.
    Isinbajev hatte einen dichten Vollbart. Er betete fünfmal am Tag und trank keinen Alkohol. Schon seit zehn Jahren nicht mehr. Damals hatte man ihm seine Arbeit bei einer Reederei in der Ukraine gekündigt. Die Ukraine war plötzlich keine Sowjetrepublik mehr gewesen, und die Wirtschaft war zusammengebrochen, als es sich gezeigt hatte, dass die alten staatlichen Unternehmen hoffnungslos unrentabel waren und aufgelöst worden waren. Er hatte nicht nur seine Arbeit verloren, sondern war auch plötzlich Ausländer in seinem eigenen Land geworden. Als in der Ukraine wohnhafter Tschetschene hatte er nirgendwohin gehört. Er war nach Grosny, in die Stadt seiner
Kindheit, zurückgekehrt. Der Bürgerkrieg in Tschetschenien hatte gerade begonnen. Er gab seinem Leben eine neue Richtung und veränderte ihn. Er weihte sein Leben dem Kampf. Als seine Eltern und ein Bruder im Krieg getötet worden waren, wartete er nur noch auf seine große Chance. Diese war jetzt gekommen. Ein Kapitän wurde für einen Spezialauftrag gebraucht. Er hatte das Gefühl, als sei ihm der Hauptgewinn in der Schicksalslotterie zugefallen.
    Der Bug stampfte im Gegenwind. Steuerbord kam Land in Sicht. Er schaute auf die Seekarte, in diesen Gewässern war er nicht sonderlich oft gewesen. Eine Insel, kein Festland.
    Er schob die Hand in die Tasche und holte eine kleine Schachtel hervor. Die Tabletten. Sie sollten ihn wachhalten. Ab und zu kamen sie an anderen Schiffen vorbei. In der Fahrrinne herrschte recht wenig Verkehr.
    Im Funkgerät knisterte es. Ein Funkspruch. Er lauschte, plötzlich nervös. » Farida, over, Farida, over .« Der Funker gab sich nicht zu erkennen. Nur dieses Farida, over, Farida, over . Fünfmal mit jeweils einer Pause von einer Minute, und kein Absender. Der Steuermann sah ihn an, ohne etwas zu sagen.
    Kapitän Isinbajev fragte sich, was er als Nächstes tun sollte. Aber das Funkgerät kam seinen Überlegungen zuvor. »All vessels, all vessels!« Alle Schiffe wurden gebeten, der dänischen Marine Bericht zu erstatten, falls sie die Farida, »a general cargo ship« , in dänischen Gewässern sichteten.
    Man hatte ihn verraten. Wie konnte das geschehen? Nur eine Handvoll Leute wussten von seinem Auftrag. Die dänische Marine? Kannte sie seine ungefähre Position?
    Er gab dem Steuermann Anweisung, den anderen Schiffen gegenüber auf Abstand zu bleiben und Volldampf zu geben. Das bedeutete, dass sie um zwei Knoten beschleunigten. Noch hatte man ihn nicht gefunden, aber das war natürlich nur
eine Frage der Zeit. In drei Stunden mussten sie sich Land nähern.
    Der Luftraum über ihm war leer. Keine Aufklärer. Noch nicht. Er schob sich eine weitere Tablette in den Mund. Sie schmeckte bitter. Was auch immer passierte, er würde weiter seinem Ziel entgegenstreben.

70. Kapitel
    Acht Maschinen der dänischen Küstenwache befanden sich bereits in der Luft. Zwei patrouillierten über dem Skagerrak nördlich von Skagen. Niemand wusste, ob die Farida bereits dänische Gewässer erreicht hatte. Die anderen sechs suchten systematisch das Kattegatt ab. Die Marine bereitete sich darauf vor, das Schiff zu entern, sobald der entsprechende Befehl erteilt wurde. Schusssichere Westen und Waffen wurden bereitgelegt.
    In der Führungsgruppe machten sich Zweifel breit. War dieser Verdacht wirklich berechtigt? War das nicht nur eine Vermutung? Konnte man sicher sein, dass die Farida ein Schiff war? Aber Ministerpräsident Rasmus Falck Pedersen hatte andere Sorgen: Was sollte er tun, wenn das Schiff gesichtet wurde?
    »Welche Möglichkeiten gibt es?«, wollte er wissen. Die Frage war an alle gerichtet. Wer Lust hatte, konnte sie beantworten.
    »Rein technisch«, sagte Oberbefehlshaber Hans Enhørning, »stehen uns viele Möglichkeiten zu Verfügung, wenn der Kapitän nicht beidreht und uns freiwillig den Befehl über sein Schiff überlässt. Die Küstenwache kann den Frachter entern. Wir können ihn von unserer Fregatte beschießen oder wir können ihn mit Flugzeugen angreifen.«

    »Und worin bestehen die Risiken?«, fuhr der Ministerpräsident fort.
    »Entern ist immer riskant«, meinte der Oberbefehlshaber. »Wir können schließlich nicht wissen, auf welchen Widerstand wir stoßen.«
    »Und noch schlimmer wäre«, meinte der Staatssekretär des Ministerpräsidenten Knud Halsberg, »wenn der Kapitän die Sprengladung auslöst, sobald er

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