Der Geheimnistraeger
Sie sicher verstehen, verfolgen wir alle Telefongespräche mit Korsør«, sagte der größere der beiden PET-Leute, der in der Tat Vincent etwas ähnlich sah. »Wir hören einige Gespräche ab und notieren im Übrigen, wer von wem angerufen wird. Heute Morgen um 7.30 Uhr hat jemand Ihr Handy angerufen. Dass Polizeibeamte Anrufe von besorgten Mitbürgern erhalten, ist in dieser Situation vollkommen natürlich. Aber dieser Anschluss befindet sich in einer Wohnung, die genau neben dem Ort liegt, wo der feindliche Panzerwagen heute Nacht zerstört wurde.«
Er nahm ein Papier aus seinem Aktenkoffer.
»Dieser Anschluss gehört einer gewissen Kirsten Berg, einer dänischen Staatsbürgerin. Ist das eine Bekannte von Ihnen?«
»Nein«, antwortete Vincent. »Ich habe keine Ahnung, wer das ist.«
»Als uns dieser Telefonkontakt auffiel, dachten wir, dass sie vielleicht beobachtet hat, warum der Panzerwagen explodierte und sich deswegen an einen ihr bekannten Polizeibeamten gewandt hat. Aber als wir diese Nummer wählten, erhielten wir keine Antwort. Nachdem wir uns vorgestellt hatten, wurde sofort aufgelegt. Dann stellte sich heraus, dass Kirsten Berg inzwischen unter einer anderen Adresse gemeldet ist. Auch dort riefen wir an, aber niemand hob ab.«
Vincent wartete, wie es weiterging. Ihm fiel die Ähnlichkeit zwischen ihm selbst und dem Mann, der ihn jetzt in einem bedrohlichen Verhörton befragte, auf. Ihm gefiel das Aussehen des Mannes nicht, obwohl er mit seinem eigenen recht zufrieden war.
»Also, Paulsen«, sagte der Lange. »Mit wem haben Sie gesprochen? «
Vincent schwieg etwas zu lange.
»Paulsen«, meinte Skov verärgert. »Worauf wartest du?«
»Das war eine Bekannte meiner Schwester«, sagte Vincent. »Sie weiß, dass ich Polizeibeamter bin. Deswegen hat sie mich angerufen.«
»Wie heißt sie?«, fragte der große PET-Mann.
»Lydia. Ihren Nachnamen weiß ich nicht«, antwortete Vincent.
»Lydia. Und was hat Lydia gesagt?«
»Sie sprach über ihre Besorgnis. Das war alles.«
»Hat sie den Panzerwagen erwähnt?«
»Natürlich. Sie sagte … er sei auf dem Marktplatz explodiert. «
»Sonst nichts?«
»Nein.«
»Warum legte sie dann auf, als sie von einem anderen Polizisten angerufen wurde?«
»Diese Frage kann ich nicht beantworten. Ich weiß nicht.«
»Können wir mit ihr sprechen?«, fragte der Große.
»Ich kenne sie kaum, und wir haben nur selten Kontakt, ich kannte diese Telefonnummer nicht einmal«, sagte Vincent und unterließ es, zu erwähnen, dass er von Lydia auch eine Handynummer hatte.
»Seien Sie so freundlich und rufen Sie sie an.«
Vincent nahm sein Handy und drückte auf die Rückruftaste. Er war erleichtert, dass Lydia nicht dranging. Er sah die Besucher an und zuckte mit den Achseln.
»Paulsen«, sagte der kleinere PET-Mann. »Wir wollen, dass Sie mit dieser Frau Kontakt aufnehmen und uns sofort unterrichten, wenn Ihnen das gelingt.«
Das klingt, als würden sie eine Ermittlung durchführen, dachte Vincent. Vermutlich ist dem auch so.
Beide Männer legten ihre Visitenkarten auf Skovs Schreibtisch.
»Warum ist das so wichtig?«, fragte Vincent.
»Es gibt Zeugenausssagen über die Vorfälle heute Nacht, für die wir noch nach einer Erklärung suchen«, sagte der Kleinere. »Wie gesagt, rufen Sie an.«
Sie verließen das Büro. Skov sah Vincent an, und dieser wich mit dem Blick aus.
»Ich hoffe, du weißt, was du tust«, meinte Skov.
»Ja«, erwiderte Vincent. »Was auch immer du damit meinst.«
»Christian kommt heute Abend zurück. Du solltest dann mit ihm sprechen.«
Vincent nickte, dankbar dafür, dass das Gesprächsthema gewechselt wurde. Er erhob sich und ging in sein Büro, noch ehe ihm Skov weitere Fragen stellen konnte.
51. Kapitel
Weiße, drei- und vierstöckige Mietshäuser waren hintereinander aufgereiht wie viereckige Legosteine auf einer grünen Platte. Das Wohnviertel war ein Denkmal für die Architektur seiner Zeit. Hier in den südwestlichen Stadtvierteln hatten die Leute gewohnt, die auf den Schiffen gearbeitet hatten, als Korsør noch ein großer Fährhafen gewesen war. Jetzt wohnten in diesen Mietshäusern Fremde.
Davon wusste der Fahrer nichts. Er steuerte seinen Panzer von der kleinen Anhöhe an der Kreuzung Skovvej und Slagelse Landevej und fuhr den guten Kilometer zu dem Wohnviertel mit den weißgestrichenen Häusern. Dort befahl der Kommandant die Kanone zu laden und Feuer zu geben. Fünfmal pusteten die 105-mm-Granaten des Leopards Löcher
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