Der Geheimtip
Zähne.
»Und José«, vollendete Pallando die Vorstellung. Der kleine Farbige kicherte schrill, als hätte Pallando einen guten Witz gemacht.
»Ich möchte ins Hotel ›Vila Ramos‹«, sagte Egon. »Meine Sekretärin hat dort für mich ein Zimmer gebucht.« Die Buttrich war zwar nicht direkt seine Sekretärin, aber ein bißchen Klappern gehörte eben zum Handwerk, und die süße Luft Madeiras übte ihre eigenartig enthemmende Wirkung bereits aus. Außerdem hatte Silvia Buttrich seine Alma in Obhut! In gewisser Weise konnte er also wohl doch von ›seiner‹ Sekretärin sprechen.
Kuljowitsch rollte die Augen.
»Nix da! Wir abbestellen! Du wohnen bei Señor Pallando. Schöne Villa, du sehen!«
Sie geleiteten ihn zu einem extralangen schwarzen Mercedes. Ein Chauffeur in grauer Livree riß den Wagenschlag für Egon auf. Ach, wenn ihn doch in diesem Augenblick Rüdiger Knulle sehen könnte! Oder Silvia! Oder Dr. Kranzer, dieser verschuldete Angeber! Auch Herr Pettenkamp würde sich bestimmt freuen, daß man seinen Mitarbeiter so ehrte.
Der Wagen glitt wie ein Schiff über die Straße. Nur schneller. Der Chauffeur fuhr nämlich wie der Teufel persönlich. Aber außer Egon schien das niemand zu bemerken. Rechter Hand waren steile Berge. Links lag das tiefblaue Meer. Bananenplantagen dehnten sich, kleine Wasserfälle stürzten von den Bergen herab, Mimosenbäume standen üppig gelb in Blüte. Egon Meier sah die ersten Drachenbäume seines Lebens, und auch Papayas und Blüten, von denen er noch nicht einmal geträumt hatte. Im Flugzeug hatte er bereits die Uhr eine Stunde zurückgestellt, und nun genoß er die geschenkte Zeit. Zum erstenmal wandelte ihn eine Ahnung dessen an, was Luxus und Reichtum bedeuten könnten.
Noch vor Funchal lenkte der Chauffeur den Wagen mit Bravour in die Berge. Egon schloß die Augen. Ihm wurde leicht schwindlig. Aber Kuljowitsch rief: »Da sind Desertas-Inseln!« und deutete mit dem dicken Finger auf den kornblumenblauen Ozean. Also schaute Egon hin, und siehe da, es ging. Ja, es gefiel ihm sogar sehr, was er da sah.
Das alles war jedoch nichts gegen die Pracht der Villa, vor der sie schließlich hielten. Das weiße Gebäude mit zierlichen schwarzen Eisengittern vor allen Fenstern lag zwischen Rasenflächen, Palmen und blühenden Sträuchern. Ein Blumenmeer, und das mitten im Januar!
»Bitte sehr. Willkommen!« sagte Señor Pallando.
»Ein herrlicher Besitz!« lobte Egon. Er konnte ja nicht wissen, daß die Pracht nur gemietet war. Und schließlich war auch die Miete allemal teuer genug. Aber der Zweck heiligte die Mittel. Und Señor Pallando hatte mit diesem deutschen Meier noch einiges vor.
Pedro wollte beim Aussteigen nach Egons Musterkoffer grapschen, doch der wehrte energisch ab. Pedro sah fragend zu Pallando hin; der schüttelte leicht den Kopf.
Eine gefleckte Dogge kam in gestrecktem Galopp über den Rasen. Die Männer wurden ziemlich aufgeregt, und Kuljowitsch packte Egon am Ärmel.
»Werr hat ihn freigelassen?!« brüllte er. »Err sehrr bissig!«
Die Dogge nahm trotzdem sofort Kurs auf Egon Meier. Nun war er gewiß keine Heldennatur. Doch zu Hunden hatte er eine ganz natürlich entspannte Beziehung.
»Na du?!« fragte er den Riesenköter freundlich. Und das Vieh wedelte mit dem Schwanz und schnüffelte gutmütig an seinem Hosenbein. Als er hier noch Düfte der wundervollen Hundedame Alma wahrnahm, tänzelte er geradezu vor Wohlwollen und Entzücken.
Egon hielt ihm die freie Hand hin, und er leckte sie liebevoll ab. Die kleine Truppe um Pallando wechselte irritierte Blicke. Besorgnis lag darin. Sollte man sich mit diesem unscheinbaren Männeken verrechnet haben? Sie hatten ihn einschüchtern wollen. Und nun das! Mit Deutschen war ja oft nicht zu spaßen.
»Kommen mit«, sagte Kuljowitsch, »Pedro zeigt Zimmerrr. Serr guttes Zimmerr!«
»Vielleicht könnten wir englisch miteinander sprechen?« regte Egon Meier an, während sie die breite Freitreppe hinaufschritten und die Dogge schwanzstummelwedelnd hinter ihm hertänzelte.
Kuljowitsch und Pallando schüttelten die Köpfe.
»Wir nix englisch«, bedauerte Kuljowitsch.
Das überraschte Egon ein wenig. Pettenkamp hatte Pallando als sehr gebildeten und weltläufigen Mann geschildert. Und Englisch war im internationalen Handel schließlich immer noch die verbindliche Sprache.
»Nix Englisch in Sowjetunion?« scherzte Egon. Dieser ungewohnte Humor mochte noch von dem Kräuterlikör in Lissabon herrühren.
Kuljowitsch
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