Der gehetzte Amerikaner
legte.
»Von je weniger Leuten Sie gesehen werden, desto besser ist es.«
»In Ordnung«, sagte Brady.
Sie kletterte aus dem Wagen und schlug
die Tür hinter sich zu. Nachdem sie einige Schritte auf das Haus
zugegangen war, blieb sie noch einmal stehen, holte die
Wagenschlüssel aus ihrem Täschchen und kam zurück.
»Hier, es ist besser, wenn Sie die Schlüssel nehmen«,
sagte sie dabei. »Für den Fall wenigstens, daß Sie
schnell von hier verschwinden müssen.«
Nachdem sie ins Haus gegangen war, steckte sich Brady
eine Zigarette an und machte es sich auf seinem Sitz bequem.
Natürlich hatte Anne ganz recht. Es hätte keinen Sinn gehabt,
wenn er schnurstracks ins Haus marschiert wäre und das Risiko auf
sich genommen hätte, daß ihn irgend jemand erkannte.
Wahrscheinlich hätte er damit nichts erreicht. Für das
Mädchen hingegen würde es sicher keine Gefahr bedeuten, wenn
sie einfach und unbefangen um den Termin für eine Konsultation
bat. Auf jeden Fall würde er, Brady, erfahren, ob Soames zu Hause
war oder nicht.
Im Handschuhkasten lag eine alte Zeitung. Um die Zeit
des zermürbenden Wartens totzuschlagen, las Brady sie systematisch
von der ersten bis zur letzten Seite durch.
Als jedoch eine Stunde vergangen war, bekam er langsam
ein unangenehmes Gefühl. Wieder steckte er sich eine Zigarette an
und schaute durch das Rückfenster zu dem großen Tor, aber
von Anne war keine Spur zu sehen. Brady fluchte, drehte sich wieder um
und schaute auf die Uhr am Armaturenbrett.
Von welcher Seite er auch immer die Sache betrachten
mochte – irgend etwas mußte schiefgegangen sein. Er gab ihr
noch einmal zwanzig Minuten, doch als sie dann noch immer nicht kam,
kletterte er entschlossen aus dem Wagen, verschloß die Tür
und steckte den Schlüssel in die Uhrtasche seiner Hose.
Während er auf das große Tor zuging und
hindurchtrat, lag die Straße ruhig und menschenleer da. Es
nieselte etwas. Brady ging den breiten Kiesweg entlang und stieg dann
die Stufen zum Portal empor. Schon auf einen leichten Druck hin
öffnete sich die Tür, und Brady trat in eine komfortabel
eingerichtete, teppichbelegte Eingangshalle. In einer Ecke stand ein
niedriger, moderner Tisch, und ein junges Mädchen war gerade
dabei, eine Kartei zu sortieren.
Die junge Dame war ausgesprochen hübsch, hatte rotgoldenes
Haar, das ihr weich auf die Schultern fiel, und trug einen
weißen Schwesternkittel. Sie schaute bei seinem Eintritt auf und
lächelte höflich, aber unbeteiligt.
»Bitte sehr, Sie wünschen?«
»Ich möchte gern wissen, ob ich Professor Soames sprechen kann?« fragte er.
»Es tut mir leid, aber Professor Soames empfängt nur angemeldete oder bestellte Patienten.«
»Das ist mir klar«, erwiderte Brady.
»Aber ein Freund empfahl mir, ich sollte es trotzdem versuchen.
Ich schleppe ein hartnäckiges altes Rückenleiden mit mir
herum und habe schon jahrelang von einer alten Verletzung her starke
Schmerzen.«
»Trotzdem, Professor Soames ist leider heute den
ganzen Tag über beschäftigt«, erwiderte sie.
Ȇbrigens hat Professor Soames einige Mitarbeiter, die
ebenfalls in der Naturheilkunde ausgezeichnete Kenntnisse
besitzen.«
»Ich muß aber den Professor selbst
sprechen«, sagte Brady mit Nachdruck. »Er ist der einzige,
der mir helfen kann. Davon bin ich fest überzeugt –
jedenfalls nach dem, was mir mein Freund von ihm erzählt
hat!«
Sie seufzte resigniert und kritzelte etwas auf einen Notizblock.
»Wenn Sie mir Ihren Namen geben möchten,
Sir…? Ich werde sehen, was sich machen läßt.«
»Harlow ist mein Name«, sagte Brady. »George Harlow.«
Sie schrieb den Namen auf, wirbelte dann in ihrem Drehstuhl herum und erhob sich mit einer grazilen Bewegung.
»Nehmen Sie bitte Platz, Mister Harlow. Ich bin gleich wieder zurück.«
In ihrer leichten, natürlich
graziösen Art schritt sie durch die Halle und öffnete eine
Tür. Nachdem sie verschwunden war, grinste Brady vor sich hin und
setzte sich auf die Tischkante. Falls sie ein Muster sein sollte
für die übrigen Mitarbeiter des Professors, dann mußte
dies ein recht angenehmes Haus sein.
Neben dem Karteikasten auf dem Tisch lag eine Liste
der angemeldeten und bestellten Patienten. Brady zog sie rasch zu sich
heran und ging mit dem Finger das Register durch. Annes Name war
allerdings nirgends zu finden; mit ihr war keine Besuchszeit vereinbart
worden. Bradys Stirn zog sich nachdenklich zusammen, und
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