Der gehetzte Amerikaner
zum festgesetzten Termin und
ihn nicht vorher rauszulassen. Schließlich war es kein Wunder,
wenn sich ein Mann nach solch einer Erfahrung von anderen Männern
unterschied.
Es war acht Uhr abends, und der Direktor hatte sich
für seine übliche Bridgepartie bereits verspätet. Er
raffte einen Stapel Papiere zusammen, legte sie in ihren Aktendeckel
und lehnte sich dann in seinem Stuhl zurück.
»Dieses Zuchthaus hier ist das sicherste, das es
gibt, Brady«, erklärte er. »Hier führt kein
anderer Weg heraus als durch das Eingangstor. Und deshalb werden auch
die schweren Jungs hierhergeschickt. Sie werden bald feststellen,
daß die meisten Häftlinge zu langen Strafen, teilweise zu
lebenslänglich wie Sie selbst, verurteilt sind… Haben Sie
heute noch irgendwelche Fragen?«
»Nein, Sir«, erwiderte Brady.
Das Licht der Taschenlampe modellierte sein Gesicht.
In den letzten drei Monaten hatte sich sein Aussehen verändert;
sein Haar zeigte erste graue Strähnen, seine Augen blickten kalt
und hart und zeigten keinen Ausdruck. Er sah aus wie ein
äußerst gefährlicher Bursche, und der Direktor
mußte wieder seufzen.
»Soviel ich weiß, haben Sie
einen Anstaltsbeamten in Wandsworth angegriffen? Derartige
Mätzchen würde ich Ihnen bei uns nicht raten!«
»Ich hatte damals die Nerven verloren, war außer mir!« entgegnete Brady.
Der Direktor ging nicht weiter auf diese Bemerkung ein, sondern öffnete wieder Bradys Akte.
»Wie ich hier sehe, sind Sie von Beruf
Konstrukteur. Wir werden Sie sicher gebrauchen können. Wir
errichten nämlich einige Erweiterungsbauten, natürlich
innerhalb der Mauern. Ich sehe keinen Grund, weshalb Sie nicht am
Morgen mit den anderen Häftlingen zur Arbeit gehen sollten.«
»Danke sehr, Sir«, sagte Brady.
»Natürlich brauche ich nicht zu
erwähnen, daß das eine Hafterleichterung ist, die sofort
entzogen werden kann, falls Sie sich schlecht führen. Habe ich
mich verständlich ausgedrückt?«
»Völlig, Sir!«
Der Direktor mußte kurz lächeln.
»Falls Sie einmal Rat brauchen, Brady, dann
zögern Sie nicht, mich darum zu bitten. Das ist nämlich meine
Aufgabe, und dafür bin ich hier.«
Er erhob sich, als Zeichen dafür, daß die
Unterhaltung beendet sei, und der Hauptwachtmeister führte Brady
hinaus.
Manningham war die dritte Strafanstalt, die Brady
während der letzten drei Monate kennengelernt hatte. Während
er zur Kleiderkammer geführt wurde, schaute er sich interessiert
nach allen Seiten um. Anschließend brachte man ihn zur
Küche, wo er Essen empfing, und endlich schloß man ihn in
seiner Zelle ein.
Wie einen wirklichen Verbrecher.
Das Zuchthaus war in der Mitte des
neunzehnten Jahrhunderts während einer Ära der Reformen
errichtet worden, und zwar nach einem System, das in
Großbritannien allgemein üblich ist. Es bestand aus vier
dreigeschossigen Zellenhäusern, die strahlenförmig wie die
Speichen eines Rades von der Zentrale ausgingen. Diese war eine Halle,
die etwa dreißig Meter hoch war und von einer eisengerahmten
Glaskuppel abgeschlossen wurde.
Jedes Zellenhaus war aus Sicherheitsgründen durch
Maschendraht von der Zentrale abgetrennt. Der Hauptwachtmeister
schloß das Tor zum Block C auf und führte Brady hindurch.
Dann stiegen sie eine eiserne Treppe bis zur schwach
beleuchteten oberen Galerie empor. Das ganze Gebäude lag in einer
unnatürlichen Stille da. Der Schacht zwischen den beiden
gegenüberliegenden Galerien war ebenfalls mit Maschendraht
überdeckt, damit niemand auf die Idee käme, über das
Geländer zu springen und Selbstmord zu begehen. Diese
Einrichtungen und die ganze Umgebung vermittelten einem das
Gefühl, in einem stählernen Labyrinth zu stecken, und Brady
schauderte leicht, als der Hauptwachtmeister vor der letzten
Zellentür auf der Etage stehenblieb und sie aufschloß.
Die Zelle war größer, als Brady erwartet
hatte. Sie besaß ein kleines vergittertes Fenster, enthielt ein
Waschbecken und eine eingebaute Toilette in einer Ecke. An der einen
Wand stand eine Doppelpritsche, an der anderen ein einzelnes Klappbett.
Auf dem Einzelbett lag ein Mann und las eine
Illustrierte. Er schien etwa sechzig Jahre alt zu sein, hatte
weißes, kurzgeschnittenes Haar, lebhafte blaue Augen und ein
runzliges, lustiges Gesicht.
»Ein neuer Zellenkamerad für Sie,
Evans«, meinte der Hauptwachtmeister. »Er wird morgen mit
der Baukolonne ausrücken. Erzählen Sie ihm alles, was er
wissen
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