Der Geist des großen Büffel
den Federn verloren zu haben.
Ein
Gegner, der ihn verwundet hätte, wäre ihm nicht so unheimlich gewesen.
Cookie
ließ ihn rennen, über den Kreis der Zuschauer springen, über die Büsche, und
ich dachte schon, er wolle ihn nun laufenlassen.
Aber
Cookie schleuderte das Seil, weit und schnell spulte es sich aus seiner Hand.
Er fing den Flüchtling wie eine Antilope, riß ihn zu Boden und schleifte den
zusammengeschnürten Körper ganz langsam zu sich her. Die Zuschauer machten eine
Gasse frei.
Schließlich
lag er vor ihm: „Piepsende Maus hat tapfer gekämpft“, meinte Cookie. „Trotzdem
habe ich ihn besiegt.“
Er
setzte seinen schwarzen Lackschuh auf die nackte, schweißglänzende Brust.
Da
mußte Häuptling Kleiner Stier wohl oder übel den Kampf als beendet erklären.
Piepsende Maus schlich gesenkten Hauptes davon.
Ich
zweifelte daran, daß wir nun seine Freundschaft gewonnen hatten.
Das zerschnittene Gesicht
Wir
alle waren herzlich froh über Cookies unblutigen Sieg. Die Indianer aber schauten
zunächst betreten zu Boden. Später traf Cookie auch mancher scheu bewundernde
Blick. Seine unglaubliche Treffsicherheit erschien ihnen wie Zauberei - was sie
ja auch war.
Nun
war es an mir, mein Wort einzulösen. Ich bat den Häuptling, er möge mich
losbinden.
Da
Cookie nun ein freier Mann war, konnte er mir helfen. Während ich im Planwagen
meinen Fotoapparat auf das Stativ schraubte, die Mattscheibe einlegte und eine
Platte in die Kassette schob, baute Cookie das Dunkelkammerzelt auf. Die kleine
Pyramide aus schwarzem Tuch erregte Verwunderung, wohl auch Furcht, sie sah gar
zu todesdüster aus. Ich prüfte den Stand der Sonne, und als ich wohlausgerüstet
zu den Wartenden zurückkehrte, achtete ich darauf, daß sie in meinem Rücken
stand.
„Häuptling
Kleiner Stier soll sich in der Entfernung, die ein Kind mit einem Steinwurf
überbrücken kann, vor mir aufstellen“, rief ich.
Der
Häuptling stand widerwillig auf. Möglicherweise vermutete er, daß mein Apparat
eine gefährliche Waffe sei. Um ihn zu beruhigen, sagte ich: „Häuptling Kleiner
Stier soll zwei Kriegern befehlen, sich mit erhobenen Tomahawks hinter mich zu
stellen. Wird ihm auch nur ein einziges Haar gekrümmt, können sie mir sofort
den Schädel spalten.“
Dieser
Vorschlag gab ihm Vertrauen. Er tappte an den von mir bezeichneten Platz, und
ich beugte mich unter das schwarze Tuch. Umgekehrt, also auf dem Kopfe stehend,
erschien mir da das prächtig mit seinem reichen Federschmuck versehene Haupt.
Aber es sah gar zu grimmig aus.
Ich
kam unter dem Tuch wieder zum Vorschein. „Kann Häuptling Kleiner Stier mich
nicht anlächeln?“
„Der
weiße Mann soll lieber zugeben, daß er versprochen hat, was unmöglich ist“, er
stampfte ungeduldig mit einem Fuß auf. Ich spürte die Nähe der beiden Tomahawks
über meinem Rücken fast körperlich. Mochte der Häuptling nun lächeln oder
nicht, Hauptsache, er stand still, damit ich keine verwackelte Aufnahme bekam,
auf der er nicht zu erkennen war. Ich verzichtete auf sein Lächeln, stellte
scharf ein, bat ihn, so ruhig zu stehen, als sei er aus Stein, tauschte die
Mattscheibe gegen die fotografische Platte aus und belichtete.
„Fertig!“
„ Uffuff “, rief er. „Häuptling Kleiner Stier hat nicht das
Kitzeln einer Fliege gespürt. Wo aber sind die Schnitte in meinem Gesicht?“
Ja,
sein Gesicht war unversehrt.
Ich
sagte ihm: „Der tapfere Häuptling muß Geduld haben. Ich habe niemals
versprochen, ihm sein edles Gesicht gleich zu zerstören.“
„Ach,
der weiße Mann will nur Zeit gewinnen“, brummte er. Aber glücklicherweise leben
die Indianer ohne Uhr und kennen keine Eile.
Cookie
brachte mir klares Wasser, und ich verschwand im Zelt.
Den
Vorgang der Entwicklung brauche ich nicht in allen Einzelheiten zu beschreiben.
Aber sagen darf ich, daß ich erleichtert aufatmete, als mir die Züge des
Häuptlings auf der Platte scharf entgegentraten.
Ich
fixierte, ließ die Platte an der Sonne kurz trocknen und zog dann das
Papierbild ab. Ich machte sofort zwei Abzüge, verbarg aber den einen im Zelt
und brachte nur den ersten, noch feuchten, zu den geduldig Wartenden. Sie
hatten sich die Zeit mit Tänzen und Spielen, mit Liedern und Schwatzen
vertrieben.
Die
Mittagsstunde war überschritten.
„Ist
Häuptling Kleiner Stier bereit?“ fragte ich unnötigerweise.
„Ich
bin bereit, mir den Skalp des Schwätzers zu nehmen“, antwortete er.
Ich
zeigte den Abzug zuerst dem
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