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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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gespannt zu und rief: »Und, na und? Was ist?«
     Anora reckte gebückt ihren Kopf über den Boderows, und das schadenfrohe Lachen des Alten hatte einem höchst einfältigen Platz gemacht.
     Nasreddin kostete das aus. Er zog die Beine an, damit er bequemer hockte, scheuchte mit der freien Hand den aufdringlichen Boderow zurück, und dann zog er unendlich langsam den Arm aus der Öffnung. Dabei blickte er starr geradeaus in den Hof hinein. Die Umstehenden wagten kaum zu atmen, und es schien, als hätten selbst die Spatzen in den nahen Bäumen ihr Tschilpen eingestellt.
     Nasreddin hob einen – schlanken dunklen glasigen Krug aus der Öffnung. Er hatte ihn nicht am flachen Henkel, sondern über der Ausgußöffnung am Hals gepackt, erhob sich im Einklang mit der Bewegung des Arms, faßte dann mit der anderen Hand um den Boden des Gefäßes, brachte es bis in Gesichtshöhe, neigte den Kopf, als ob er horche, und begann – trotz des entsetzten Aufschreis Boderows – erst behutsam, dann kräftiger, den Krug zu schütteln.
    Boderow, noch auf einem Knie hockend, hatte es die Sprache verschlagen. Flehend, mit ausgestreckten Armen blickte er zu Nasreddin hoch. Durch die Zuschauer ging ein Stöhnen. »Still!« raunte Nasreddin, und er setzte abermals den Krug ruckweise in Bewegung.
     Leise, aber unverkennbar gluckste es aus dem Gefäß. »Na?« Nasreddin stemmte den Krug, ihn nur am Boden haltend, über den Kopf. »Was habe ich euch gesagt!« Er begann sich in kleinen Tanzschritten zu drehen und trällerte eine Melodie. »Nasreddin!« Boderow schrie es beschwörend. Er sprang auf, wagte aber nicht, den Tanzenden zu berühren, aus Furcht, der Krug könne stürzen.
     Die Situation schien für Außenstehende offensichtlich sehr komisch zu sein, denn sie begannen sich zunehmend zu amüsieren.
    Anora schließlich war es, die dem ein Ende machte.
     Sie schob sich an Nasreddin heran, tat, als tanze sie mit ihm, wand dabei die Arme empor und packte dann das Gefäß mit beiden Händen.
     Nasreddin ließ sofort los, und er beteiligte sich umsichtig daran, den Fund in Anoras Strickjacke zu wickeln.
     Erleichtert und erschöpft fuhr sich Boderow mit beiden Händen über das schweißnasse Gesicht. Dabei hatte er völlig den Lehm vergessen, der ihm an den Fingern haftete.
     Als er die Arme sinken ließ, kam langsam, aber zunehmend ein Gelächter auf, in das schließlich Anora und Nasreddin herzhaft einstimmten. Letzterer zeigte sogar mit ausgestrecktem Arm auf Boderow, der in der Tat wie ein Indianer auf Kriegspfad aussah. Schließlich, als Boderow die Ursache erkannte, säuberte er sich mit seinem Taschentuch, stimmte aber in das allgemeine Lachen ein. Den Krug aber, den Anora an ihren Körper schmiegte, behielt er im Auge.
    Notdürftig räumten sie die Grabestelle auf, Nasreddin drückte dem Alten die restlichen Zigaretten und die Spitzha cke in die Hand, und sie schlugen den Weg zurück zum Hotel ein, Anora flankiert von den beiden Männern – der eine, Nasreddin, mit einem über alle Maßen zufriedenen Gesicht, obwohl der Fund selbst ihm ziemlich gleichgültig war, und der andere, Boderow, stets in Gefahr zu stolpern und außerordentlich besorgt. Er wandte sich beim Laufen Anora zu, damit er das Kostbare im Auge behielt, und achtete wenig auf den Weg.
     Schließlich langten sie wohlbehalten in Anoras Zimmer an, und sie stellte das Gefäß mitten auf den Tisch.
     Der Krug hatte an der dicksten Stelle einen Durchmesser von höchstens fünfzehn Zentimetern, bestand natürlich aus gebranntem Ton, den jedoch eine äußerst kompakte Glasur umgab. Die Öffnung aber hatte man dick verkleistert, und nach einer vorsichtigen Nagelprobe stellte Boderow fest: »Honigdurchsetztes Bienenwachs. Deshalb ist er dicht geblieben.« Und vorsichtig, mit dem glücklichsten Gesicht der Welt, ließ er den Inhalt glucksen.
     Die beiden, Anora und Boderow, betasteten und bekratzten das Gefäß noch eine Weile, ergingen sich in allerlei Mutmaßungen. Bis schließlich Anora fragte: »Dich interessiert das wohl nicht so sehr, Nasreddin?«
     Nasreddin, der in einem Sessel saß und in einer Zeitung blätterte, sah lächelnd auf. »Nein«, sagte er gemacht gleichgültig, »ich kenne ihn ja – wie ihr gesehen habt.«
    »Er kennt ihn ja!« ahmte Boderow nach, »er kennt ihn ja, wie wir gesehen haben.« Und plötzlich wandte er sich dem Dasitzenden voll zu. »Ich flehe dich an, Nasreddin. Was hat es mit dem Krug auf sich, erzähle!«
     »Du glaubst aber

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