Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
dennoch sympathisch sein, sonst hätte er soviel Segensreiches wohl nicht zugelassen. Doch, so wußte Nasreddin, nur zwanzig, dreißig Tagesreisen weiter gab es große Länder voller Moslems, von denen der größte Teil in Armut lebte, deren Kinder nicht zur Schule gingen… Teufel noch eins, da sollte sich einer auskennen in einer solchen Welt!
     Anora und Boderow schienen sich einig zu sein. Jedenfalls wählten sie den Weg so, daß zunächst all das, was Buchara in der Welt bekannt macht, im verborgenen blieb.
     Dann überquerten sie, aus dem Gewirr von kleinen Gassen und Lehmhäusern hervordringend, eine sehr verkehrsreiche Straße – für Nasreddin wieder der Schritt in seine Jetztzeit – und betraten einen Flecken mit riesigen Bäumen und Blumenbeeten, aber man konnte ausmachen, daß dieser Platz alsbald von repräsentativen historischen Gebäuden begrenzt werden würde.
     »Wir sind da«, sagte Anora. Sie lehnte mit geheimnisvoller Miene am Sockel eines Monuments, das, überschüttet vom Licht-Schatten-Geflirre der Bäume, sich augenblicklich – zumal sich die Augen erst anpassen mußten – nicht überschauen ließ.
     Nasreddin sah sich um. Er war auf die großen Bauten, die Medresen und Moscheen aus, Dinge, von denen er Sagenhaftes gehört hatte an Timurs Hof, heimlich oft, denn es grenzte an Frevel, von etwas zu sprechen, was größer und schöner sein sollte als Vergleichbares in Samarkand. »Ist es nicht dort?« fragte er und wies durch die Bäume auf eine Stelle, an der man das Portal einer großen Medrese vermuten konnte.
     Anora schüttelte lächelnd den Kopf. »Sieh dir den an«, sagte sie und zeigte mit hochgerecktem Daumen über ihre Schulter.
    »Aber…«, entgegnete Nasreddin.
    »Schau ihn dir nur an«, empfahl nun auch Boderow.
     Nasreddin trat einige Schritte zurück, stellte sich so, daß die durch das Laubwerk brechenden Strahlen ihn nicht blendeten, übersah das Standbild und sagte: »Na und – ein Eselsreiter, ein einheimischer. Was ist daran Besonderes? Vor wenigen Tagen noch hätte ich es sein können…«
    Die beiden lachten.
    »Du bist es«, erklärte Anora.
     Nasreddin runzelte die Stirn. »Wieso… ich?« Und er erinnerte sich einer ihrer Behauptungen, »Nasreddin in Buchara«. »Ich!« Er brachte es in einem solchen Ton hervor, daß die beiden wieder lachen mußten.
     Er ging um die überlebensgroße Statue herum, klatschte dem Esel mit der flachen Hand aufs Hinterteil und stand dann lange und sah dem Reiter ins Gesicht. Dann versuchte er, dessen Pose mit der erhobenen Hand nachzuahmen, worüber sich seine Begleiter abermals amüsierten. »Aber eine solch krumme Nase habe ich nicht«, protestierte Nasreddin, und er faßte die seine an und bog sie hin und her.
     »Na?« Anora wiegte wie bedenklich den Kopf. »Ich würde eher sagen: ›nicht mehr‹…«
     Nasreddin stutzte, dann lachte er, aber in dem Lachen lag Nachdenken, vielleicht ein wenig Wehmut.
    Er ging noch einmal um das Standbild, betrachtete Details. »Er gefällt mir«, stellte er dann fest. »Und nun steht er auch zu Recht hier, schließlich…«, er reckte die Brust heraus und stellte sich abermals in die Reiterpose, »ist er hier, Nasreddin in Buchara!« Er hatte es laut gerufen, einige junge Leute, die auf Bänken saßen, schauten herüber, einige, die ihn verstanden hatten, schmunzelten.
     »Woher wußte er das mit der – Nase?« fragte Nasreddin dann leiser, »obwohl er mich doch nie gesehen hat…«
     Anora lächelte. Sie hatte verstanden, daß er den Bildhauer meinte. »Künstlerische Intuition«, antwortete sie. »Er hat dich studiert und kam zu dem Schluß, daß ein Nasreddin von Haus aus eine solche Nase haben muß.«
    »Und nun – ich habe sie nicht mehr!«
    »Ich sagte ›von Haus aus‹… Aber so gefällst du mir besser!«
     »Hast du das gehört?« Nasreddin wandte sich an Boderow. »Hast du das gehört, Bruder? Für ein solches Wort der schönsten Blume von Buchara, was sage ich, des ganzen Timurischen Reiches, bin ich bereit, alles Krumme von mir zu werfen!« Er wandte sich an den ehernen Reiter. »Nun weiß ich auch, weshalb die Frauen letzten Endes von uns nichts wissen wollten, alter Nasreddin. Fünfhundert Jahre haben wir dazu gebraucht. Aber das wird sich jetzt ändern…«
     Er lachte ausgelassen, Anora und Boderow stimmten ein, aber Boderow mit dem Ausdruck der höchsten Verwunderung. »Ich hätte nie geglaubt, Anora, daß so etwas möglich ist«, raunte er. »Er ist so vollkommen

Weitere Kostenlose Bücher