Der Geisterfahrer
Töchter auch mündlich zum Wäschehängen zu bewegen; darauf pflegen sie entweder mit abwesendem Blick zu nicken, oder wir erfahren von unglaublichen Mengen von Hausaufgaben, mit denen sie in der Schule gequält werden. Wird tatsächlich eine Wäsche aufgehängt oder abgenommen, sprechen meine Frau und ich bereits von einem Erziehungserfolg.
Allgemein lässt sich sagen, dass es innerhalb unserer Familie ein Kampf aller gegen alle ist, durch ständiges Aufrechnen und durch andauernde Vorwürfe geprägt, ein Kampf auch, in dem alle auf ihre Heldentaten pochen, wie mehrmaliges Aufhängen oder zusätzliche Durchgänge am ersten oder zweiten Tag, vor allem B-Wäsche betreffend. Wir haben nämlich zwei verschiedene Körbe eingeführt, einen für A-Wäsche und einen für B-Wäsche, worunter das weniger Dringliche fällt, also Bettlaken, Frottiertücher, Bodenlappen usw. Abgesehen von einer gewissen Befriedigung über die Nomenklatur mussten wir uns aber bald eingestehen, dass sich das effektive Quantum der Wäsche dadurch in keiner Weise verringerte.
Da sich also auf diese Art manchmal fünf Personen mit unserer Wäsche beschäftigen, meine Frau, ich, die beiden Töchter und die Haushalthilfe, kann es eine Weile dauern, bis ein Vorfall wie der, von dem ich erzählen möchte, auch wirklich bemerkt wird.
Einmal, als ich eines meiner Hemden unter den frisch geplätteten Wäschestücken suchte und nicht fand, fiel mir eine schwarze Jacke auf, sehr schmal geschnitten, mit einem violetten Mäandermuster an den Ärmeln und den Aufschlägen, ein Muster, welches durch goldene Borten verfeinert wurde; die Jacke hing, wie mir jetzt bewusst wurde, schon länger an einem Bügel, bestimmt eine Woche oder zwei, ohne dass sie von jemandem in Anspruch genommen wurde. Die Wäsche wird bei uns in einem kleinen Raum zwischengelagert, wo sich jedes Familienmitglied seine Stücke abholen sollte, um sie in seinen eigenen Schränken und Schubladen zu versorgen, etwas,
das alle so lang wie möglich hinauszuschieben versuchen. Geplättete Kleidungsstücke werden von der Haushalthilfe nicht immer auch noch zusammengelegt, sondern oft einfach auf einem Bügel an einer Handtuchstange aufgehängt. Statt meines gesuchten Hemdes, das sich somit noch irgendwo im Kreislauf zwischen A-Korb, Buntwäsche mit Schleudergang, Wäscheleine und trockener, aber noch nicht zusammengelegter Wäsche befinden musste, hielt ich also diese Jacke in die Höhe und rief meiner Frau zu, die gerade am Weggehen war, ob das eigentlich ihre Jacke sei. Meine Frau entgegnete nach einem oberflächlichen Blick etwas hastig, sie kenne diese Jacke nicht und ich solle die Töchter fragen. Natürlich, dachte ich, die lassen ja alles hängen bis zum Moment, in dem sie es brauchen. Allerdings hatte ich die Jacke noch nie an einer der beiden gesehen, gepasst hätte sie vor allem zur jüngeren, die gerne in fremdländischen Kleidern herumlief, welche sie auf Flohmärkten oder Flüchtlingsfesten erstand. Die ältere sprach von solchem Aufzug etwas verächtlich als Ethnolook.
Nach dem Abendessen, zu dem ich mit meinen Töchtern allein war, bat ich Barbara, die 15-jährige, ihre Jacke mit dem lila Muster doch bitte endlich zu versorgen, damit der Bügel wieder frei sei, zum Beispiel für eines meiner Hemden. Was für eine Jacke ich denn meine, fragte Barbara, wie immer in solchen Fällen mit gespieltem Erstaunen. Als ich ihr das fragliche Stück im Wäschezimmer zeigte, rief sie Anna, die ältere Schwester, und fragte sie, ob diese Jacke ihr gehöre. Anna gab fast beleidigt zurück, ob Barbara wirklich glaube, sie würde einen solchen Folklorelumpen
anziehen, und es wundere sie, dass die Mutter sich mit so etwas schmücke, über dieses Alter sei sie doch langsam hinaus. Bevor die beiden miteinander über ihren Geschmack und den ihrer Mutter streiten konnten, sagte ich ihnen, ihre Mutter hätte nichts mit dieser Jacke zu tun, und wem sie denn sonst noch gehören könnte.
Vielleicht Frau Jucker im unteren Stock, sagte Anna, worauf Barbara in ein prustendes Lachen ausbrach und ihre Schwester fragte, ob sie verrückt sei. Da es aber auch schon vorgekommen war, dass ein Kleidungsstück versehentlich in die Nachbarwäsche geraten war, ging ich sogleich nach unten, um Frau Jucker zu fragen, ob das ihre Jacke sei. Sie blickte höchst verwundert, lachte sogar ein bisschen, und erst jetzt sah ich, dass ihr diese Jacke viel zu klein gewesen wäre.
Blieb als letzte Möglichkeit, dass sie der
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