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Der Geisterfahrer

Der Geisterfahrer

Titel: Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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leichter als das zweite, denn sie seien alle des guten Glaubens gewesen, eine steuerfreie Stiftung zu unterstützen, das zweite allerdings könne kaum auf gerichtlichem Weg, sondern nur bankintern hinter verschlossenen Türen erreicht werden, da sie das Geld ja offiziell gespendet hätten und sich die Bank schon vor zwei Monaten von Hirschis Stiftung distanziert habe, mit den allen bekannten bedauerlichen Folgen, und natürlich wäre es besser gewesen, wenn ihnen Hirschi als Verantwortlicher erhalten geblieben wäre. Trotzdem sei es nicht aussichtslos, da für die Bank ihr Ruf auf dem Spiel stehe und es ja auch so etwas wie Kundenbindung gebe.
    Und dann kam der Hammer. Als der Anwalt bekannt gab, für alle, die heute Abend hier seien, gehe es um Beträge von mindestens einer Million, und dann fragte, ob jemand da sei, der mit weniger drinhänge, meldete ich
mich, ohne allerdings meine bescheidene Investitionssumme zu nennen, und da sagte doch der Anwalt, das dürfte kaum möglich sein, denn auf die Donatorenliste seien nur Kunden gesetzt worden, die von einer Million an aufwärts gespendet hätten. Ich winkte ab und sagte, ich würde das gern am Schluss der Besprechung unter vier Augen mit ihm bereden.
    Die Sitzung wurde dann ziemlich chaotisch, indem alle durcheinander zu sprechen begannen, es wurde gezischelt, getuschelt, geschimpft, lamentiert, man hörte Vorwürfe, der Direktor der Elektrizitätsgesellschaft sagte zur Schönen, nur ihretwegen sei er da hineingeschlittert, einen Vorwurf, den diese umgehend an die Hausherrin weitergab, welcher offenbar in diesem Kreise eine besondere Bedeutung zukam, als hätte sie die meisten zu dieser Geldanlage angestiftet. Man solle sie bitte schonen, sagte ein Herr mit einem weißen Bärtchen, der neben ihr stand, sie hätte wirklich durch den tragischen Tod ihres Freundes genug gelitten. Hirschi mit Glatze und Hornbrille, der Freund der edlen Roberta? Und, als Retail-Banker getarnt, der raffinierte Drahtzieher einer Geldwaschanlage oder wie oder was? Mir kreiste der Kopf, als ich all das hörte, aber in einem ruhigen Moment sagte ich zu den Versammelten, ich sei wohl bei den wenigen, die wirklich nicht wüssten, was es mit dieser Stiftung auf sich habe, aber ich mache sie darauf aufmerksam, dass im Stiftungsprospekt auf einem der Fotos aus Venezuela ganz klar der Illimani im Hintergrund zu sehen sei, der höchste Berg Boliviens, den ich sehr gut kenne, und dass dies den Untersuchungsbehörden kaum entgehen dürfte. Die Ratlosigkeit und der
Katzenjammer waren mit Händen zu greifen, der Einzige, der an diesem Abend profitierte, war der Anwalt, der sein Mandat bekam.
    Als ich ihn später, nach Beendigung des offiziellen Teils, auf die Sache mit der Donatorenliste ansprach, ging er ein paar Schritte mit mir zum Steinway-Flügel, entnahm seinem Aktenkoffer ein Sichtmäppchen, das er auf den schwarz glänzenden Deckel des Instruments legte, und fragte mich nach meinem Namen.
    ›Ihre Anlage‹, sagte er mir nach einem Blick in die Liste, ›ist tatsächlich etwas eigenartig, sie beträgt 1 Million Franken und 1 Rappen.‹
    Ich musste mich am Flügel festhalten.
    ›Das kann ja nicht wahr sein‹, sagte ich, ›dieses Geld habe ich nie besessen.‹ Und dann erzählte ich ihm die Geschichte mit dem Check. Und natürlich stellte auch er mir sofort die elende Frage, ob ich den Schenkungsbeleg noch habe, und ich hätte mich ohrfeigen können, dass ich ihn weggeschmissen hatte, aber auf einmal tauchte das Formular vor meinem inneren Auge wieder auf, ich sah die 1 im zweiten Rappenfeld, ich sah die 0 davor, und es war mir, als ob links davon der große Balken, in den man den Frankenbetrag einfüllen konnte, aufblinke, er war leer, er war weder mit Nullen besetzt noch mit Strichen unschädlich gemacht, und wer immer illegales Geld zu deponieren hatte und einen Strohmann brauchte, konnte dort später in aller Ruhe seine Million eintragen.
    Als ich mich von der Hausherrin verabschiedete und ihr sagte, ich beteilige mich nicht an dem gemeinsamen Anwalt, da ich in einer ganz anderen Art betrogen worden
sei, bedauerte sie das sehr, doch als ich zur Tür hinausgehen wollte, trat mir der junge Butler in den Weg und bat mich, ihm meine Kleinkamera auszuhändigen, mit der ich aus der seitlichen oberen Öffnung der Mappe ein paar Bilder geschossen hatte.
    ›Oh‹, sagte ich, ›das hätte ich beinah vergessen‹, nahm sie heraus und gab sie nicht ihm, sondern Roberta Heizmann, indem ich ihr mit

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