Der Geisterfahrer
Setzte ich einmal aus, wurde er sogleich wieder weinerlich, und ging ich gar vom Käfig weg, brach er in eine Art Schluchzen aus, das seinen ganzen Körper schüttelte. Obwohl ich nicht religiös bin, setzte mir das ständige Fluchen an den Sonntagen mit der Zeit zu. Dennoch habe ich es bis heute nicht fertiggebracht, den Teufel an einem Sonntag alleinzulassen, weil ich mir beim Gedanken, dass er
dann den ganzen Tag heulend und elend in seinem Käfig verbringen müsste, als Unmensch vorkomme.
Aber das ist nicht mein größtes Problem. Am meisten beschäftigt mich gegenwärtig die Frage, wie ich den Geruch aus der Wohnung wegbringe. Nachdem es mir mit den gängigen Sprühmitteln nicht gelungen ist, bin ich Kunde von Homöopathen und Reformhäusern geworden, jetzt zum Beispiel hängen überall Säcklein mit ungedüngten getrockneten Jasminblüten, die ich jeden Tag mit einem anthroposophischen Lavendelöl überträufle. Mit Erschrecken habe ich aber bemerkt, dass der Geruch des Teufels seit kurzem an mir selbst haftet, wenn ich es auch erst bei besonderen Gelegenheiten feststelle, wie wenn mir Schweiß aus den Achselhöhlen tritt. Ich sehe jedoch voraus, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis auch ich so riechen werde wie mein Teufel. Dieser Geruch ist nicht etwa ländlich, stallähnlich, sonst könnte ich, damit man ihn meinem Wohnort zuschriebe, in ein Bauernhaus umziehen, sondern er ist eine fast nicht zu beschreibende Mischung aus etwas Ätzendem wie von brennendem Kehricht, etwas Fauligem wie von abgestandenem Blumenwasser und etwas Atemverschlagendem wie von verwesenden Kadavern – wer so riecht, kann nicht mehr unter die Leute, er darf sich in keinen Laden wagen, keine Wirtschaft und kein Postbüro, von seinem Arbeitsplatz ganz zu schweigen.
Wer mir so weit gefolgt ist, wird mir nun den Rat geben, und das wäre auch nach allen Regeln der Vernunft das richtige, mich dieses Haustiers so rasch als möglich zu entledigen. Gerade das aber kann ich nicht. Mir ist
der Teufel ans Herz gewachsen, sein Blick, wenn er etwas gerne hätte, rührt mich, ich habe das Gefühl, er brauche mich und würde kläglich eingehen, wenn ich nicht mit meiner ganzen Kraft für ihn sorgen würde. Außerdem, wie müsste ich das machen? In die Tierhandlung getraue ich mich nicht mehr zurück, ihn in einem Sack ins Wasser zu werfen wäre mir unmöglich, und um ihm von einem Tierarzt eine Spritze geben zu lassen, dazu ist er mir zu wenig Tier, ich weiß auch nicht, was ein Tierarzt sagen würde, wenn ich mit einem Teufel in die Sprechstunde käme. Überhaupt wage ich es kaum, mich jemandem anzuvertrauen. Ich habe eine Zeitlang daran gedacht, einen Pfarrer zu fragen, aber dann habe ich mich zuerst in der theologischen Literatur umgesehen und festgestellt, dass man heute sogar in konservativen Kreisen darüber hinaus ist, an die Existenz eines leibhaftigen Teufels zu glauben, sondern sich das Böse auch irgendwie als geistig vorstellt, und diese Erkenntnis, die ich begrüßenswert finde, wollte ich nicht mit meinem Fall trüben.
Es kommt noch etwas dazu. Ich habe das Gefühl, dass die Vernichtung des Teufels für mich sehr schwere Folgen hätte. Dieses Gefühl kann ich weder erklären noch präzisieren, ich glaube einfach, dass mir Unheimliches zustoßen würde, und ich habe Angst davor. Lieber behalte ich den Teufel und lebe auf dieselbe Art mit ihm zusammen wie bisher.
Oder was soll ich sonst tun?
Der Stich
E in Asienreisender, der kurz vor seinem Rückflug aus Bombay von einem ihm unbekannten Insekt in den rechten Unterarm gestochen worden war, bemerkte am Morgen nach seiner Heimkehr, dass der Stich, der zuerst nur die Form einer kleinen roten Pustel gehabt hatte, über Nacht größer geworden war. Er sah jetzt aus wie ein Mitesser, ein Eindruck, der noch dadurch verstärkt wurde, dass der Einstichpunkt leicht vereitert war. Der Reisende, dessen Geschlechtsname mit B. begann, drückte, indem er den Gipfel des Mitessers mit dem Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand zusammenpresste, den Eiter aus, desinfizierte die ganze Stelle mit Jod und klebte sie mit einem Heftpflaster zu. Am Nachmittag stellte er fest, dass sich die eine Seite des Pflasters gelöst hatte, und merkte beim Versuch, sie wieder zu befestigen, dass der Stich schon so stark gewachsen war, dass er sich nicht mehr mit einem Heftpflaster überdecken ließ. Jetzt suchte er einen Arzt auf.
Der nahm eine Blutprobe und empfahl ihm, bis zum Bekanntwerden des Ergebnisses
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