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Der Geisterfahrer

Der Geisterfahrer

Titel: Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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wegen so etwas Verdacht geschöpft? Gut, Du vielleicht schon, Du rechnest in Deinem Beruf immer mit dem Bösen und mit der Heimtücke im Menschen, während ich wohl eher dazu tendiere, seine guten Seiten zu sehen. Deshalb bin ich für Fälle wie diesen auch nicht geeignet.
    Du kannst Dir vorstellen, dass ich ziemlich überrascht war, als ich kurz darauf einen Anruf von der Kantonspolizei Zürich bekam, in dem mich ein Herr Grendelmeier bat, möglichst bald bei ihm vorbeizukommen, um ihm im Zusammenhang mit dem Nummernschild aus meinem Besitz ein paar Fragen zu beantworten. Wenn es mir lieber sei, käme er auch bei mir vorbei.
    Da ich nicht gerne die Polizei im Haus habe, ging ich hin.
    Grendelmeier, neben dem eine Assistentin an einem Computer saß, machte mich, nachdem er sich für die Umstände entschuldigt hatte, als Erstes darauf aufmerksam, dass es sich um eine polizeiliche Einvernahme handle, dass also alles, was ich sage, in einem Prozess verwendet werden könne, übrigens auch gegen mich, oder so ähnlich. Ich hätte sogar das Recht auf Aussageverweigerung. Zu Letzterem bestehe für mich überhaupt kein Grund, sagte ich, es gebe, was diese Velonummer angehe, nicht das Geringste zu verheimlichen, und als Pfarrer sollte ich eigentlich keine Prozessdrohung nötig haben, um nicht zu lügen. Als ich wissen wollte, worum es denn eigentlich gehe, sagte er, es gehe um den Mordfall Caviezel im Jahre 1987. Ich glaubte mich verhört zu haben. Ein Mordfall? Was denn diese Nummer mit dem Mordfall zu tun habe, fragte ich.

    Am 16. Juni 1987, sagte er, seien in einem Ferienhaus am Bachtel zwei Menschen erschossen worden, das Ehepaar Caviezel, und in der Nähe habe man damals ein als gestohlen gemeldetes Fahrrad gefunden, ohne Nummernschild, aber über den Versicherungsausweis kenne man die Nummer des Schildchens, und es handle sich zweifellos um dieses hier aus meiner Brieftasche, und er hob das Schildchen auf, das plötzlich zu einem corpus delicti geworden war. Da die Tat nie aufgeklärt worden sei, sei dieses Schild von großer Bedeutung, und er möchte mich deshalb einfach bitten, ihm nochmals genau zu sagen, wie ich zu dieser Nummer gekommen sei.
    Ich erinnerte mich an diese Bluttat, die seinerzeit viel zu reden gegeben hatte, es handelte sich um ein recht angesehenes Paar, und es waren keine Feindschaften und Beziehungsgeschichten auszumachen gewesen.
    So verstand ich das Interesse der Fahndung an meinem Fund, und während die Assistentin laufend eintippte, was ich erzählte, gab ich also die ganze Geschichte nochmals zu Protokoll.
    Ob ich allein am Ende des Perrons gewesen sei oder ob vielleicht noch jemand dort gestanden habe, wollte Grendelmeier wissen.
    Nein, sagte ich, ich sei allein gewesen, und merkte plötzlich, dass er nach Zeugen suchte, dass er mir offenbar nicht traute.
    Ob ich 1987 auch schon als Pfarrer tätig gewesen sei, fragte er dann, was ich bejahte, und ich nannte ihm auch den Ort, nämlich Winterthur.
    »Aha«, sagte er darauf bloß.

    Und dann kam die Frage, die entscheidende Frage, die er aber ganz beiläufig stellte: »Sie wissen nicht zufällig, wo Sie am Abend des 16. Juni 1987 waren?«
    »Nun hören Sie mal«, sagte ich, »Sie wollen mir doch nicht eine Beteiligung an einem Mord unterschieben, nur weil ich ein Velonümmerchen gefunden habe und es, statt es wegzuwerfen, mitnahm, da es den Jahrgang meiner Tochter trug?«
    Es tue ihm leid, sagte Grendelmeier darauf, aber sie müssten eben jeder Spur nachgehen, vor allem da der Fall in drei Jahren verjährt sein werde und für sie jeder ungeklärte und ungesühnte Mord eine Belastung sei, nicht nur für die Polizei, fügte er hinzu, sondern für die ganze Gesellschaft.
    Das bestritt ich nicht, und ich sagte ihm, wofür ich mir heute die Zunge abbeißen könnte, aber ich sagte es aus der Empörung des Gerechten, der plötzlich in einen völlig ungerechtfertigten Verdacht gerät, ich sagte ihm also, wo ich an einem x-beliebigen Tag vor siebzehn Jahren gewesen sei, könne ich so wenig aus dem Stand heraus sagen wie er, aber da ich alle meine Agenden aufbewahre, werde es mir ein Leichtes sein, das festzustellen. Ich würde zu Hause nachsehen und ihn dann anrufen.
    Besser wäre es, sagte Grendelmeier, ich würde nochmals vorbeikommen, damit sie meine Aussage richtig protokollieren könnten, oder wenn ich es vorzöge, könne er mich auch gleich nach Hause begleiten.
    Das lehnte ich ab, ich ging nach Hause, holte auf dem Dachboden die alten Agenden,

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