Der Geisterfahrer
Rhein, nach Beznau zu stoßen, und zwar über die Brücke bei Schaffhausen, die einzige in der Nähe, die stark genug war. Einmal in Schaffhausen, galt es nur noch, die Töss zu umfahren, wegen ihrer durchwegs ungenügenden Brücken, somit über Wil. Das Toggenburg kam auch nicht in Frage, hauptsächlich wegen der Brücke bei Dietfurt, und so ging die Route über St. Gallen ins Rheintal bis nach Sargans, dann Richtung Zürich bis Sihlbrugg, von dort über Baar, Zug, Cham nach Affoltern am Albis und Dietikon und anstatt über die hohe Brücke bei Baden über die kleine, jawohl die kleine Holzbrücke bei Wettingen, die immer noch stark genug war, man musste ihr bloß vorübergehend das Dach abnehmen und dazu eine Bewilligung des Heimatschutzes einholen,
und schon war man in Beznau. Die Bewilligung würde allerdings einige Zeit brauchen, vielleicht musste sich der Große Rat noch damit befassen, weil es ins Ressort des Baudepartements fiel, aber es würde ohnehin noch einige Zeit dauern, bis man mit dem Superthronger in Wettingen war, denn erst musste man in Schaffhausen sein, und dazu musste man den Rhein überqueren. Nun gab es ja die neue Rheinbrücke in Basel, die auch diesem Anspruch gewachsen war, und von dort brauchte man bloß über Freiburg durch das Höllental via Hüfingen nach Schaffhausen zu fahren.
Sofort machte sich Herr Lätt daran, die Genehmigung zu dieser Fahrt in Deutschland einzuholen, und füllte die elf Begleitformulare aus, die hierzu erforderlich sind. Nach zehn Wochen erhielt er die Erlaubnis zur Durchfahrt und holte seinen Superthronger in Sisseln wieder ab, sehr zum Leidwesen der Sissler, die daraus bereits eine Attraktion gemacht und ihn gegen Geld gezeigt hatten. Die Bewilligung des Heimatschutzes zur Entfernung des Daches auf der Wettinger Holzbrücke war zwar noch nicht eingetroffen, aber Herr Lätt nahm an, dass sich das schon ergeben werde, wenn er einmal mit seinem Superthronger dort sei, und machte sich auf den Weg. Beim Zollübergang in Basel suchte man den Superthronger kurz nach Rauschgift ab, doch sonst gab es keine Schwierigkeiten, da es sich um eine reine Transitangelegenheit handelte. Zu einer heiklen Situation kam es erst im Höllental. Herr Lätt hatte nämlich bei seinen Berechnungen immer nur das Gewicht des Wagens in Betracht gezogen und hatte vergessen, dass sich auch aus der Länge Probleme ergeben könnten. Sein
Doppelsattelschlepper war aber insgesamt 42 Meter lang. Resigniert musste Herr Lätt mit den Hinterrädern voran aus der ersten schmalen Kurve der Ravennaschlucht herausfahren und die ganzen 23 Kilometer nach Freiburg zurück im Retourgang hinter sich bringen. Dort überprüfte er die Situation neu und stellte fest, dass er gebirgige Gebiete wegen der engen Kurvenradien unbedingt vermeiden musste. Als beste Ausweichmöglichkeit bot sich der Weg über Karlsruhe, Ulm, Singen an, den Herr Lätt auch schon in der nächsten Nacht in Angriff nahm. Aber er hatte kein Glück. Sein 800 Tonnen schwerer Superthronger drückte bei Offenburg einige Asphaltplatten ein, und er wurde mit der Weisung von der Autobahn geschickt, sie erst wieder von Karlsruhe an zu benützen.
Das war ein harter Schlag. Es zeigte sich nämlich, dass die beiden gewöhnlichen Straßen nach Karlsruhe in tiefgreifenden Reparaturen waren, sodass Herr Lätt nur mehr der Umweg über Straßburg offenblieb. In Kehl wartete er vier Monate auf die französische Durchreisebewilligung, während die Forderungen der Beznauer immer dringlicher wurden. Jeden Tag sprach er auf dem Straßburger Polizeisekretariat vor, jeden Tag wurde er mit dem Hinweis auf Paris weggeschickt. Als er die Bewilligung endlich in den Händen hielt, wollte er es zuerst gar nicht glauben, setzte sich jedoch unverzüglich in seinen Doppelsattelschlepper und machte sich auf den Weg.
Nun war aber in der Wartezeit die Brücke zwischen La Wantzenau und Drusenheim vorübergehend abgebrochen und durch eine provisorische Holzbrücke ersetzt worden, sodass an eine direkte Weiterfahrt Richtung Karlsruhe
nicht zu denken war. Herrn Lätts Erhebungen ergaben, dass nur der Weg über Nancy und Metz in Frage kam, und als er nach fünf Tagen Nachtfahrt von Metz nach Saarbrücken abzweigen wollte, überraschte ihn der Metzer Polizeikommandant mit der Frage, ob er eigentlich wisse, dass vor Longeville-les-St.-Avold eine Unterführung komme, die nur 3,8o Meter hoch sei. Herr Lätt wusste bloß, dass sein Wagen mit der Bepackung 4,23 Meter hoch war, dass es
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