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Der Geisterfahrer

Der Geisterfahrer

Titel: Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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also mit Saarbrücken vorderhand nichts war. Nach einer eingehenden Besprechung mit dem Polizeipräfekten fuhr Herr Lätt nach Luxemburg weiter. Das Warten an der Grenze machte ihm jetzt schon weniger aus, er verdingte sich in Evrange als Lastwagenchauffeur und verdiente einige Wochen ganz gut. Da es ihm mit der Zeit zu teuer kam, immer in Hotels zu übernachten, schlief er in einem Schlafsack im Innern des Superthrongers, wo er sich ein gemütliches Eckchen mit einer Petroleumlampe und einem Foto von seiner Frau und seinen beiden Töchterchen Rösli und Marianne eingerichtet hatte. Luxemburg ist ein kleines Land, und so brauchte er nur anderthalb Monate auf die Transitbewilligung zu warten.
    Jetzt musste er aber unbedingt danach trachten, wieder nach Deutschland zu kommen, damit er endlich die Richtung nach Schaffhausen einschlagen konnte. Bei Trier war der Übergang nicht möglich, weil die Brücke bei Wasserbillig über die Sauer nur 600 Tonnen aushielt, und auch das nur bei extrem tiefem Wasserstand, während die Moselbrücke bei Remich als solche der Belastung wohl standgehalten hätte, nicht aber der Belag, der gegenwärtig versuchsweise von einem Pfälzer Kies- und Quetschwerk
aufgelegt war und die Schleudergefahr bei Asphaltschmelzung erheblich herabsetzen sollte. Auch Anfragen in Echternach, Roth und Dasburg wurden negativ beantwortet, und Belgien, das die ganze Zeit drohend im Hintergrund gelegen hatte, war nun nicht mehr zu vermeiden.
    In Wemperhardt, diesem traurigen luxemburgischen Grenzdörflein, wartete Herr Lätt neun Wochen auf die Einfuhrerlaubnis für Belgien. Es war Winter geworden, und den Heiligen Abend feierte er allein in seinem Superthronger mit einem Tannenbäumlein, das er auf dem Christbaummarkt von Troisvierges gekauft hatte. Seine Frau schickte ihm einen Pfeifenstopfer und die Töchterchen ein paar selbstgestrickte Pulswärmer. Herr Lätt schrieb einen langen Brief und versprach, es werde nun nicht mehr lange dauern, denn einmal in Deutschland, sei er im Hui in Schaffhausen, und ob die Bewilligung zum Abdecken der Wettinger Holzbrücke schon eingetroffen sei.
    Ende Januar kamen seine 18 Fragebogen mit sämtlichen Stempeln versehen zurück, und Herr Lätt steuerte frohgemut über St. Vith nach Aachen, wo die sichere Autobahn wartete. Dass er den verschneiten Straßen des Hohen Venn über Lüttich ausweichen musste, brachte ihn nicht aus der Fassung, ebenso wenig die Tatsache, dass in Belgien Schwertransporte auf der Autobahn verboten sind. Unruhig wurde er erst, als man ihm die Höhe der Autobahnunterführung bei Herve mitteilte, 4,20 Meter, und er nach dem schon bedenklich weiter nördlich gelegenen Visé abdrehen musste.
    Die niederländischen Formulare waren etwas einfacher, es waren nur sechs, und da jedes Formular eine Woche
zur Behandlung brauchte, öffnete sich der Schlagbaum für Herrn Lätt schon nach sechs Wochen. Die 48 Kilometer bis zur deutschen Grenze legte er in einer Nacht zurück, aber am anderen Morgen erwartete ihn bei der Zollstelle in Aachen eine unangenehme Überraschung.
    Seine seinerzeitige Transitbewilligung durch Deutschland war nämlich, wie im Kleingedruckten deutlich vermerkt, längstens acht Monate gültig, und da seit seiner damaligen Einreise über ein Jahr verstrichen war, musste ein neues Durchreisegesuch gestellt werden, im Verkehr mit Holland auf zwölf Formularen. An eine Verlängerung der alten Bewilligung war auch nicht zu denken, da es sich jetzt um die Zollabteilung Nordrhein-Westfalen handelte und nicht mehr, wie zuvor, um diejenige von Baden-Württemberg.
    Herr Lätt arbeitete dreieinhalb Monate in Vaals als Torfstecher, bis er aus Düsseldorf die Genehmigung zu seiner neuerlichen Einreise erhielt. Um nun diesmal wirklich sicherzugehen, fuhr er gleich zum Bundesfernstraßenbelastungsamt in Köln, welches, wie er inzwischen durch Schwertransportkollegen erfahren hatte, über Probleme dieser Art erstaunlich informiert sei. Dort machte man ihm auf seine Gewichts-, Längen- und Höhenangaben hin innerhalb weniger Minuten klar, dass der einzige Weg in die Schweiz über die Autobahn nach München führe, und zwar wegen schlechten Straßenzustands bei Heidelberg und zu geringer Belastungsfähigkeit der Aischbrücke bei Adelsdorf über die Zonenautobahn Berlin – Leipzig – Hof. Beim Wort Zonenautobahn knickte Herr Lätt ein bisschen zusammen, und einen Moment lang hätte er fast den
Mut verloren. Dann aber dachte er daran, dass er in den neunzehn

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