Der gelbe Handschuh
und sich dann wieder senkte.
Die Menschen auf den Decks applaudierten, als wäre einem Seiltänzer im Zirkus gerade der dreifache Salto gelungen.
Zwei Matrosen kamen angelaufen. Der grau uniformierte Chauffeur übergab ihnen zwei große Koffer, während der Mann mit dem englischen Schnurrbart sehr aufrecht und ohne Eile an Bord ging.
Zwei Schritte vor Erreichen des Decks kam ein Offizier auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Und haargenau in diesem Augenblick quietschte unten an der Gangway schon wieder eine Autobremse.
„Mich trifft der Hammer“, sagte Peter Finkbeiner.
„Du kriegst die Tür nicht zu“, rief Ulli Wagner.
Beide blickten hinunter zur Pier, wo jetzt neben dem großen schwarzen Wagen ein ziemlich klappriges Taxi stand. Aus ihm schob sich zuerst der Kasten einer Baßgeige, dann ein brauner Lederkoffer und anschließend ein dickes Gesicht mit blassen, traurigen Fischaugen.
„Unser Seehund“, stellte Ulli verwundert fest.
„Der Zoo ist wieder komplett“, bemerkte Peter.
Und dann wurde die Gangway endgültig hochgezogen.
Die Schlepper nahmen Kurs und strafften die Taue.
Die Musikkapelle spielte wieder, es regnete noch einmal Konfetti von den Decks, und die Menschen an der Reling und auf dem Pier fingen an zu winken und warfen Handküsse.
Die Motoren waren jetzt immer stärker zu hören. Dazu kam noch das Geräusch von irgendwelchen Pumpen. Ein leichtes Zittern ging durch das ganze Schiff, und dann begann es sich zu bewegen.
Zuerst zerriß das Netz der bunten Papierschlangen, das sich von Bord bis zum Pier spannte.
„Es geht los“, meinte Frau Finkbeiner und schob ihre Hand unter den Arm ihres Mannes.
„Ich bin sprachlos“, sagte Herr Wagner und war es dann auch. Der Abstand zur Kaimauer wurde immer breiter, und während die Schlepper das Schiff jetzt aus dem Hafen zogen, verabschiedete sich die MS Europa immer wieder mit dem tiefen Röhren ihres Schiffstyphons von New York.
Noch einmal war der Blick frei auf das Gebirge der Wolkenkratzer von Manhattan.
Dann ging es an der Freiheitsstatue vorbei zwischen Brooklyn und Staten Island zum Atlantischen Ozean.
Inzwischen lief das Schiff mit eigener Kraft und hatte volle Fahrt.
In der Kiste ist eine Dame
„Ob die Lichter ganz da hinten wohl noch zu Amerika gehören?“ fragte Herr Wagner und blickte dabei in die Nacht hinaus.
„Leider hab' ich mein Fernglas vergessen“, sagte Apotheker Finkbeiner und verkroch sich noch tiefer in seinen Wintermantel.
Peter trabte schon los, da rief ihn sein Vater wieder zurück: „Du brauchst doch den Schlüssel für meine Kabine. Das Fernglas liegt genau vor deiner Nase auf dem Tisch, wenn du reinkommst. Du brauchst gar nicht zu suchen.“
„Ich komme mit“, meinte Ulli und rannte hinter Peter her.
So standen die drei Erwachsenen jetzt allein nebeneinander an der Backbordseite auf dem Brückendeck. Die Reling ragte weit über das Wasser hinaus, und sie hatten das Gefühl, von einer Brücke aus aufs Meer zu blicken. In ihm spiegelten sich die vielen Lichter des Schiffes, fuhren mit und wurden manchmal auch von den Wellen durcheinandergebracht. Der Himmel war bewölkt und ließ nur ab und zu Sterne sehen.
Die Finkbeiners und die Wagners hatten nach der Ausfahrt aus New York am Nachmittag zuerst einmal ihre Koffer ausgepackt und sich in ihren Kabinen eingerichtet. Dann hatten sie ihren ersten Spaziergang durch das Schiff gemacht; sie hatten das offene Schwimmbad auf dem Oberdeck besichtigt und ein zweites im D-Deck.
Darauf hatten sie einen Blick in den Theatersaal geworfen und in die Bars mit ihren Tanzflächen auf dem Verandadeck. Nach einer anschließenden Dusche hatten sie sich für den ersten Besuch im Speisesaal umgezogen.
Und jetzt wollten sie sich noch eine Viertelstunde lang den Wind um die Ohren pfeifen lassen, weil ja frische Luft vor dem Essen gesund sein soll.
Und die übrigen Passagiere hatten es größtenteils genauso gemacht.
Deshalb trafen Peter und Ulli im Lift und in den Korridoren nur Leute, die sich auch noch schnell an Deck Appetit holen wollten. Sie hatten sich alle so feierlich angezogen, als gingen sie in die Oper, und die Frauen sahen aus, als kämen sie alle direkt vom Friseur.
Die beiden Jungen brauchten keine fünfzehn Sekunden in der Finkbeinerschen Kabine. Sie machten Licht, und da lag das Fernglas tatsächlich gleich vor ihrer Nase. Sie wollten die Tür gerade wieder zuschnappen lassen, als plötzlich der dicke Passagier mit den traurigen Fischaugen vor ihnen
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