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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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werden. Peter hätte dann allein in einer Einzelkabine reisen müssen. Aber damit war Herr Finkbeiner nicht einverstanden.
    „Das können wir ihm nicht zumuten“, stellte er fest und schlug seiner Frau vor: „Peter schläft bei dir, und ich ziehe in das Einzelzimmer.“
    „Kabine“, korrigierte Frau Finkbeiner und schlug jetzt ihrerseits vor, daß Peter bei seinem Vater schlafen sollte.
    „Es wäre ja auch möglich, daß man den beiden jungen Herren die Doppelkabine gibt“, meinte der Steward Horst und zog dabei seinen schwarzen Schlips gerade.
    „Dann hätten Sie, Herr Wagner, die 224 für sich allein. Und Einzelkabinen, wenn ich das sagen darf, sind sehr selten an Bord und eigentlich so etwas wie eine Bevorzugung und ein Glücksfall.“
    „Also gut“, sagte Herr Wagner. „Ich bin damit einverstanden. Aber was sagt ihr dazu?“
    Peter und Ulli blickten erst sich und dann der Reihe nach die Erwachsenen an.
    „Wir hätten auch nichts einzuwenden“, bemerkten die Finkbeiners.
    „Hallo Nachbar“, fragte Peter, „was meinst du?“
    „Man kann es ja mal probieren“, Ulli grinste.
    „Knalltüte“, gab Peter zurück.
    „Womit das Problem gelöst ist“, stellte Herr Wagner fest und bezog die Kabine mit der Nummer 224. „Außerdem habe ich euch ja immer vor meiner Nase“, meinte er noch.
    Die Kabine 224 lag nämlich genau gegenüber.
    „Ich wünsche eine angenehme Reise“, sagte der Steward namens Horst und verbeugte sich wieder einmal höflich. „Im übrigen würde ich vorschlagen, daß Sie das Auspacken verschieben und jetzt schleunigst an Deck gehen, damit Sie die Ausfahrt nicht versäumen.“
    Wenige Minuten später fanden die beiden Berliner Familien auf dem Hauptdeck noch ein paar Plätze an der Reling.
    Die Musikkapelle hatte sich jetzt ganz oben neben der Brücke postiert und spielte „A Life on the Ocean Wave“. Der Blaue Peter, das Flaggenzeichen zur Abfahrt, war schon am Mast, und die Schlepper, die das Schiff aus dem Hafen ziehen sollten, spielten wie junge Hunde mit ihren Leinen.
    Doch kamen noch immer Passagiere über die Gangway, und Matrosen holten das Gepäck aus den Taxis. Es flatterten auch noch immer Luftschlangen und Konfettiwolken zum Pier hinunter.
    Dicht hinter den Wagners und Finkbeiners stand eine Gruppe von Stewards und Köchen mit ihren hohen weißen Mützen. Als jetzt drunten am Dock zwei Missionare in schwarzen Soutanen aus einem Wagen stiegen, pfiffen sie durch die Zähne, und einer sagte: „Das hat uns gerade noch gefehlt.“
    „Immerhin nicht so schlimm wie Nonnen“ meinte ein anderer. „Sinken tut ein Schiff nur, wenn Nonnen drauf sind.“
    „Um Himmels willen, ist das wahr?“ fragte Frau Finkbeiner.
    „Ein steinalter Aberglaube auf allen Schiffen“, lachte einer der Köche.
    „Und wohlgemerkt“, sagte der Page Kannengießer seelenruhig, „es sind ja nur zwei Missionare.“
    „Na, ich danke“, meinte Frau Finkbeiner, aber sie lachte jetzt ebenfalls.
    Schon zum drittenmal waren gedämpfte Gongschläge zu hören.
    „Das heißt“, erklärte Axel Kannengießer, „daß alles, was nicht mitfährt, schnellstens an Land muß.“
    Und tatsächlich verließen jetzt mehrere Personen das Schiff. Sie liefen über die Gangway, als würden sie plötzlich befürchten, nicht mehr von Bord zu kommen.
    Auf der Kommandobrücke hatten sich inzwischen mehrere Offiziere versammelt, und vom vorderen Schornstein her waren drei tiefe und lange Töne zu hören.
    „Die Schiffssirene“, stellte Herr Finkbeiner fest.
    „Eigentlich ist es ein Typhon“, bemerkte der flachsblonde Page Axel Kannengießer höflich. „Das Schiffstyphon.“
    „Aha“, meinte der Apotheker aus Berlin. Gleichzeitig wurde die Gangway aufgehievt.
    Als sie etwa 20 Meter über dem Boden hing, kam ein großer schwarzer Wagen angefahren und hielt genau dort, wo kurz zuvor noch die ersten Passagiere an Bord gegangen waren. Ein Chauffeur in einer grauen Livree sprang aus dem Wagen und ließ einen Mann aussteigen, der groß und breit war wie ein Baseballspieler. Allerdings mochte er schon so etwa 60 Jahre alt sein. Er hatte buschige Augenbrauen und einen Schnurrbart wie die Offiziere im Wachbataillon der englischen Königin. Der Mann, der einen dunklen Mantel mit einem schweren Pelzkragen trug, rührte sich nicht. Er blieb dort stehen, wo er ausgestiegen war. Er hielt es offenbar für überflüssig, sich bemerkbar zu machen.
    Und es dauerte auch nur eine kurze Weile, bis die Gangway in der Luft stehenblieb

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