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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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die Oberfläche zurück. Kurz darauf drehte er sich wieder auf den Rücken und begann seine Vorstellung von vorn.
    Auf der anderen Seite des Beckens veranstaltete der amerikanische Junge mit dem Bürstenhaarschnitt eine private Schwimm-Olympiade.
    Am Beckenrand saß Mrs. Fuller in ihrem Rollstuhl und hatte eine Stoppuhr in der Hand.
    „Three fifteen“, rief sie mit ihrer tiefen und lauten Stimme, als ihr Neffe jetzt zur Wende ansetzte und wie ein Torpedo wieder in die Bahn schoß. „Great! Great!“ rief sie noch hinter ihm her.
    Vor einem schmalen hohen Spiegel lief inzwischen Mister Richard Wilkinson, der sein Geld mit Streichhölzern verdiente, auf der Stelle. Dabei hatte er die Arme angewinkelt und die Brust nach vorn gedrückt. Trotz seiner sechzig Jahre war er schlank, drahtig und sehnig wie ein Flitzbogen. Jetzt blickte er unter seinen buschigen Augenbrauen hervor ärgerlich zum Schwimmbecken hinüber.
    Dort schlug nämlich Mrs. Fuller in ihrem Rollstuhl gerade die Hände zusammen, daß es nur so knallte. Gleichzeitig rief sie immer wieder: „Four twenty two!“
    Schließlich hielt sie die Stoppuhr in die Luft wie die Freiheitsstatue im New Yorker Hafen ihre Fackel. „Four twenty two“, rief sie noch einmal, und ihre Äuglein strahlten vor Begeisterung.
    Der Junge mit dem Bürstenhaarschnitt lag mit den Schultern auf dem Beckenrand und pumpte nach Luft. Als er jetzt aufblickte, lächelte er zuerst ein wenig verlegen zu Mrs. Fuller hinüber. Dann entdeckte er die drei Jungen, die ihm mit ihren Badehosen und Handtüchern unter den Armen zugeschaut hatten.
    „Hallo“, japste der junge Amerikaner.
    „Hallo“, antworteten Peter und Ulli.
    „Good morning, Mister Fuller“, grüßte der Page Axel Kannengießer höflich. Immerhin war der Junge im Wasser ein Passagier.
    „Ihr kommt also aus Berlin“, sagte der Bürstenhaarschnitt. Er stieß sich vom Boden ab und kletterte über den Beckenrand. Dabei führte er seine knielange Badehose vor, die ungefähr so knallig bunt war, als wäre sie aus einem Vorhangstoff gemacht.
    „Woher“, fragte Peter verwundert, „woher weißt du, daß wir aus Berlin sind?“
    „Vom Tischsteward im Speisesaal!“ Der klitschnasse Fuller junior grinste.
    „Die Tischstewards sind hier wohl so etwas Ähnliches wie die Nachrichtenzentrale?“ Jetzt grinste auch Peter.
    „Sie sind die Klatschtanten an Bord“, stellte der Page Axel Kannengießer fest. „Eine bedauerliche Berufskrankheit.“
    „Well“, meinte der Bürstenhaarschnitt. „Was hat also der Steward an eurem Tisch über mich erzählt? Würde mich direkt interessieren.“
    „Er hat was von Nähmaschinen gesponnen“, berichtete Ulli und rieb sich heftig an seiner Nase. „Dann meinte er noch, daß du...“
    „Hallo, Page“, rief in diesem Augenblick Mrs. Fuller mit ihrer tiefen Stimme. „Willst du mir die jungen Herren nicht auch vorstellen?“ Sie hatte ihren Rollstuhl in Bewegung gesetzt und erinnerte jetzt tatsächlich ein wenig an die Königinmutter von England. Sie trug ein hellblaues Kleid mit einer Menge kleiner Schleifen.
    „Aber mit dem größten Vergnügen“, versicherte der Page Axel Kannengießer und zeigte zuerst auf Peter. „Das ist...“
    An dieser Stelle unterbrach der Schiffslautsprecher vorläufig die Zeremonie.
    „Eine Durchsage für Mister Palmer aus London“, sagte eine Stimme, die jetzt in allen Räumen und auf allen Decks des Schiffs zu hören war. „In der Funkstation liegt ein Telegramm für Sie. Bitte, Mister Palmer“, wiederholte der Lautsprecher noch einmal. „Ein Telegramm liegt für Sie in der Funkstation.“
    Aber ausgerechnet der Passagier, der gesucht wurde, konnte die Durchsage nicht hören. Mister Palmer aus London absolvierte nämlich immer noch seine akrobatischen Übungen — und kurz bevor sich der Lautsprecher gemeldet hatte, war er wieder mal als Delphin ins Wasser getaucht. Haargenau im gleichen Moment, als die Durchsage vorüber war, kam er wieder an die Oberfläche, schnaubte zufrieden und drehte sich auf den Rücken.
    „Hallo, Mister Palmer“, rief Mrs. Fuller mit ihrer tiefen Stimme zu ihm hinüber. „Während Sie da unten mit den Fischen geplaudert haben, ist hier oben ein Telegramm für Sie eingetrudelt.“
    Schon zehn Sekunden später lief Mister Palmer, so schnell er es eben schaffte, in seinem Bademantel zum nächsten Lift.
    „Und jetzt zu euch“, sagte daraufhin Mrs. Fuller. Der Page Axel Kannengießer hatte ihr die beiden Jungen aus Berlin

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