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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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in ihren Kabinen und kamen mit Hüten, Sonnenschirmen und Fotoapparaten wieder zurück. Sie hatten es plötzlich alle sehr eilig.
    „Ist ja ein Durcheinander wie nach einem Fußballspiel“, murmelte der Page Axel Kannengießer vor sich hin.
    Dabei kletterte er über die Treppe zum Verandadeck. „Die Lifts sind jetzt sowieso alle überfüllt“, murmelte er weiter zu sich selbst.
    Der flachsblonde Junge mit der roten Jacke blieb stehen und blickte sich suchend unter den Passagieren um. Dabei entdeckte er jetzt den Streichholzfabrikanten mit dem englischen Schnurrbart und den buschigen Augenbrauen.
    „Guten Morgen, Mister Wilkinson“, grüßte der Page Axel Kannengießer. „Darf ich mir eine Frage erlauben?“
    „Du darfst“, erwiderte der Mann, der wie ein pensionierter Baseballspieler aussah.
    „Wissen Sie zufällig, wo ich Mister Palmer finden kann?“ fragte der Page aus dem Speisesaal. „In seiner
    Kabine ist er nicht, und ich hab’ ein Telegramm für ihn. Leider kann er im Augenblick nicht ausgerufen werden, weil die Lautsprecher vor der Landung zur Kommandobrücke geschaltet sind.“
    „Es sieht so aus, als hätte dieser Mister Palmer mit seinen Telegrammen ein wenig Pech.“ Mister Wilkinson lachte. „Aber dieses Mal kann ich behilflich sein. Wir sind zufällig auf dem A-Deck miteinander verabredet, und wenn du willst, spiele ich gern den Postboten.“
    „Das ist sehr freundlich.“ Axel Kannengießer bedankte sich und gab Mister Wilkinson das Telegramm. „Ich hab’ nämlich heute Bordwache und deshalb eine ganze Menge um die Ohren.“
    Er wollte schon wieder lostraben, da hielt ihn der Mann mit dem englischen Schnurrbart zurück. „Sammelst du Briefmarken?“ fragte er wie aus heiterem Himmel.
    „Nicht daß ich wüßte“, erwiderte der Page aus dem Speisesaal.
    „Dann sammelst du vielleicht weiße Elefanten?“
    „Leider auch nicht“, bedauerte Axel Kannengießer. „Aber nur wegen Platzmangel.“
    „Damned, irgend etwas mußt du doch...“ Mister Wilkinson unterbrach sich, und seine Augen blitzten auf, als hätte er endlich den richtigen Einfall. „Sammelst du etwa Dollars?“
    „Wer sammelt die nicht?“ Der flachsblonde Junge aus dem Speisesaal grinste.
    „Dann kannst du ja damit was anfangen“, meinte Mister Wilkinson. Er holte eine Zweidollar-Münze aus seiner Westentasche, warf sie in die Luft und drückte sie dem Jungen mit der Stubsnase in die Hand.
    „Besten Dank“, sagte Axel Kannengießer und flitzte jetzt endgültig davon. Mister Wilkinson blickte ihm nach und wollte sich wieder einmal ausschütten vor Lachen.
    Zur gleichen Zeit inspizierte Mister Palmer zusammen mit dem Ersten Offizier im B-Deck das Lager neben dem Tiefkühlraum. Der breite Tresor stand an der Wand hinter Eisenstäben, die bis an die Decke reichten, und einer Gittertür wie in einem Gefängnis.
    Davor waren Kisten mit allen möglichen Konserven aufeinandergestapelt, Säcke mit Kaffee und Kanister mit Olivenöl. Dazwischen saßen zwei Matrosen. Sie hatten ein Telefon neben sich auf dem Tisch und spielten Karten. Ein paar Ventilatoren summten, und der ganze Raum vibrierte leicht, weil er wohl direkt über der Schiffsschraube lag.
    „Sobald Ihnen die geringste Kleinigkeit auffallt, rufen Sie mich an“, sagte Mister Palmer. Er hatte gerade gemeinsam mit dem Oberzahlmeister das Schloß an der Gittertür kontrolliert. „Sie erreichen mich vorerst über Apparat 72 im Hauptdeck.“
    „Es ist Ihnen doch wohl klar, daß das hier ein idiotischer Job ist?“ fragte einer der beiden Matrosen. Er warf seine Karten auf den Tisch und blickte lustlos auf. „Nichts als Rumsitzen und auf einen Geldschrank aufpassen. Eigentlich ist das eine Sache für Polizisten.“
    „Es gibt eine Menge Arbeit an Bord, die schmutziger ist und mehr über die Knochen geht“, gab der Erste Offizier zu bedenken.
    „Im übrigen werde ich mich erkenntlich zeigen“, fügte Mister Palmer hinzu.
    „So war das nun auch wieder nicht gemeint“, sagte jetzt der andere Matrose entschuldigend.
    „Jedenfalls können Sie sich auf mich verlassen“, erklärte Mister Palmer abschließend und ging zusammen mit dem Ersten Offizier zur Tür. Bevor er auf den Korridor hinaustrat, drehte er sich noch einmal um.
    „Und bei der geringsten Kleinigkeit Apparat 72, wie gesagt.“
    Eine Viertelstunde später verlangsamte die MS Europa ihre Fahrt und glitt behutsam durch das graue und ölige Wasser in den Hafen. Das Schiff hatte über alle Toppen

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