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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Columbus-Bar saßen noch drei Männer zusammen mit zwei Frauen und spielten Bridge.
    „Die Sorte kenn’ ich“, meinte der Barkeeper. „Obs draußen regnet oder die Sonne scheint, die gucken überhaupt nicht raus, die ganze Reise lang.“
    „Feine Erholung, so was“, erwiderte der Page Axel Kannengießer. Er hatte gerade einen Kasten mit Sodawasser abgeliefert. „Gondeln in den schönsten Gegenden herum und haben nur Whisky und Karten im Kopf.“
    „Die Geschmäcker sind eben verschieden“, erklärte der Barkeeper. „Der eine trägt sein Geld zur Sparkasse, der andre wirft’s zum Fenster raus.“
    Inzwischen war unten am Kai eine dicke Frau mit einem zitronengelben Sonnenschirm auf eine Bananenkiste geklettert.
    „Bitte alle Herrschaften, die mit der Bahn nach Caracas wollen, herhören“, sagte sie durch einen Handlautsprecher. Sie hatte glatte schwarze Haare und knallrot lackierte Fingernägel. „Ich freue mich, Ihnen unsere Hauptstadt zeigen zu dürfen, in der ich geboren bin. Mein Name ist Michelena, und ich stehe Ihnen jederzeit für alle Fragen zur Verfügung. Bitte folgen Sie mir jetzt zum Bahnhof.“
    Die Señora mit dem zitronengelben Sonnenschirm setzte sich in Bewegung, und die Passagiere spazierten hinter ihr her wie eine Schulklasse. Man bummelte an Hafenkneipen vorbei, aus denen laute Musik zu hören war. Kaffeebraune Mädchen lehnten in billigen bunten Kleidchen im Schatten der Hauseingänge oder blickten durch Fenster. Indios, Neger und Mulatten wollten Strohhüte verkaufen, Kokosnüsse, Seidenschals, Sonnenbrillen oder Mangos. Dabei redeten sie in allen Sprachen durcheinander und fuchtelten mit ihren Armen durch die Luft.
    „Leider muß ich die Herrschaften vor Taschendieben warnen“, gab Señora Michelena über ihren Lautsprecher bekannt. „Sie sind eine Landplage. Aber die Polizei ist machtlos, und bedauerlicherweise sind die Burschen flink und geschickt wie Eichhörnchen.“
    „Würde mich direkt freuen, wenn sie’s bei mir probieren würden“, lachte Juwelier Schmidt mit dt. Er war heute ausnahmsweise gut aufgelegt und pfiff schon die ganze Zeit über vergnügt vor sich hin.
    Der Bahnhof war bald erreicht, und schon eine Viertelstunde später saßen die Passagiere in den Polstern eines blitzblanken Zuges und blickten zu den letzten Häusern von La Guaira hinaus, die vor den offenen Fenstern vorbeiflitzten. Dann kamen Wiesen, Felder und Wälder.
    „Guten Morgen zusammen“, sagte Mister Hobbs, als er an den Finkbeiners und Wagners vorbeikam. „Wir suchen zwei Plätze auf der Schattenseite. In der Sonne ist es ja nicht auszuhalten. Das ist übrigens Fräulein Lisa Liranda, die Sie vermutlich schon kennen.“
    „O ja, wir haben Sie gestern abend alle sehr bewundert“, erwiderte Herr Wagner höflich.
    „Ungeheuer freundlich“, hauchte die Schlangentänzerin bescheiden und lächelte dabei.
    „Aber wir waren auch bei Ihnen, Mister Hobbs“, ergänzte Peter Finkbeiner. „Und es war wirklich große Klasse, ehrlich. Schade nur, daß die meisten Passagiere im Kino waren.
    „Beethoven und Brahms sind eben nicht so beliebt“, bemerkte der Mann mit den traurigen Fischaugen. „Man kann auf ihre Musik nicht tanzen.“ Er lächelte ein wenig verlegen und meinte dann zu Peter und Ulli: „Um so mehr freut es mich, daß es euch gefallen hat.“
    Dann ging er mit der Schlangentänzerin weiter zum nächsten Waggon. Fräulein Lisa Liranda ließ dabei eine Wolke Parfüm hinter sich wie ein Schiff sein Kielwasser.
    „Es riecht nach Schneeglöckchen“, stellte Frau Finkbeiner fest, und dann fragte sie ihren Mann: „Also, wie war das, Herr Studienrat, wieso heißt dieses Land Venezuela?“
    „Die Herrschaften hissen also die weiße Flagge?“ Der Apotheker schmunzelte.
    Er ließ sich Zeit und blickte von einem zum anderen. „Oder wer weiß etwas?“
    „Als die Spanier 1499 an unsere Küste kamen“, ließ sich in diesem Augenblick die Stimme von Señora Michelena hören, „sichteten sie zuerst eine indianische Siedlung, die auf Pfählen bis ins Meer gebaut war. Da gaben sie dem neuentdeckten Land den Namen Venezuela, was eigentlich ,Klein -Venedig‘ heißt.“
    „Ausgezeichnet und besten Dank“, sagte Frau Finkbeiner. Sie klatschte vergnügt in die Hände. „Ein Glück, daß man nicht immer auf Studienräte angewiesen ist, die ihre Schüler zappeln lassen.“
    „Pardon, ich wollte mich nicht einmischen“, entschuldigte sich die schwarzhaarige Dame mit dem zitronengelben

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