Der gelbe Handschuh
für Herrenmode herausgestiegen. „Sie interessieren sich auch dafür?“
„Sonst wäre ich wohl nicht hier“, antwortete Mister Wilkinson. „Eigenartig, Sie als Museumsdirektor sind überrascht, wenn sich auch andere Leute für Bilder interessieren. Ein wenig überheblich, finden Sie nicht auch?“ Er lächelte und blickte sich um. „Aber wir sind tatsächlich bis auf zwei Wärter ganz allein.“
„Ein echter Murillo“, flüsterte Monsieur Prunelle und blickte ehrfurchtsvoll durch das Eisengitter, hinter dem das Gemälde an der Wand hing.
„Und da drüben ein echter Rubens“, ergänzte Mister
Wilkinson. „Schon dafür würde sich eine Reise nach Caracas lohnen.“ Er drehte an seinen Schnurrbartspitzen. „Leider bin ich in Eile und muß mich empfehlen.“ Am Rande des Teppichs drehte er sich noch einmal um. „Was ich sehr bedaure.“
„Bis heute abend“, erwiderte Monsieur Prunelle. Und dann fixierte er eine Viertelstunde lang den Murillo, als wolle er ihn hypnotisieren und ein für allemal auf seine Netzhaut festbannen. Anschließend wanderte er zu dem Rubens hinüber und machte mit ihm das gleiche.
Inzwischen rollte der Omnibus mit den Passagieren der MS Europa an Hochhäusern und Ölraffinerien vorbei, durch die Straßen eines Elendsviertels mit Hütten aus Blech und Holz und dann wieder durch einen Park mit Springbrunnen und Palmen zum Hotel Tamanaco.
„Viel Licht und viel Schatten“, meinte die Señora mit dem zitronengelben Sonnenschirm. „Reich und bettelarm gibt’s bei uns ganz dicht nebeneinander.“ Dabei stand sie auf und lächelte. „Wir sind da, und Sie sollten sich jetzt in aller Ruhe ein paar Stunden erholen.“
Bunte Liegestühle und Sonnenschirme, ein himmelblauer Swimmingpool und grüne Rasenflächen erwarteten die Passagiere. Überall wehten Fahnen, und am Horizont stieg das Avilagebirge in den Himmel, das zwischen Caracas und dem Hafen lag.
„In Berlin haben sie jetzt Eisblumen an den Fenstern“, sagte Frau Finkbeiner. Sie lag neben Herrn Wagner und ihrem Mann mit geschlossenen Augen in der Sonne.
„Und in den Geschäften treten sie sich bei den Weihnachtseinkäufen gegenseitig auf die Füße“, ergänzte der Apotheker.
„Wenn man sich das so vorstellt“, äußerte sich der Portier vom Hotel Kempinski, „genießt man es doppelt und dreifach, daß man hier in der Badehose rumliegen kann und nur aufpassen muß, daß man sich keinen Sonnenbrand holt.“
Plötzlich richtete sich Frau Finkbeiner auf. „Wir haben ja bei unseren Ansichtskarten Herrn Direktor Habernoll ganz vergessen“, sagte sie. „Dabei verdanken wir es seinem Warenhaus, wenn wir...“
„Wird bereits nachgeholt“, unterbrach sie Herr Wagner, und dann fragte er einen Kellner, der gerade ein Tablett mit Ananassäften über den Rasen balancierte: „Es gibt doch bestimmt Ansichtskarten vom Hotel? Würden Sie uns bitte eine bringen, wenn Sie mal wieder in unsere Gegend kommen?“
„In zwei Minuten, Señor“, erwiderte der Kellner und lief weiter.
Peter und Ulli jagten inzwischen am Sprungbrett hintereinanderher, als hätte der eine dem anderen sein Taschengeld geklaut. Kaum waren sie im Wasser untergetaucht, schwammen sie jedesmal gleich zum Beckenrand zurück und kletterten wieder über die Leiter nach oben. Sie drehten Saltos, kippten nach rückwärts oder sprangen wie Frösche mit ausgebreiteten Armen und Beinen.
„Hast du ihn schon entdeckt?“ fragte Ulli prustend, als er wieder aus dem Wasser auftauchte. „Der Schmetterling.“
Peter blickte sich vorerst noch nicht um. Aber als er wieder vom Brett sprang, drehte er eine Schraube über die linke Schulter, und da sah er dann den Jungen mit dem Bürstenhaarschnitt und neben ihm seine Tante im Rollstuhl.
„Hallo, die Herren“, rief Mrs. Fuller mit ihrer tiefen Stimme, als Peter wieder an die Wasseroberfläche kam. „Vor Ostern macht ihr wohl keine Pause mehr?“
„Guten Tag, Mrs. Fuller“, grüßte Peter aus dem Swimmingpool.
„Hallo, Ronny!“ rief Ulli. Dabei sprang er auf das Brett, daß es nur so zitterte, und segelte anschließend, den Kopf voraus, mit ausgestreckten Armen durch die Luft.
„Wenn ihr nichts dagegen habt, möchte ich Ronny für eine Weile bei euch abgeben“, sagte Mrs. Fuller. „Unterdessen mache ich mich mit euren Eltern bekannt.“ Sie wartete gar nicht auf Antwort und rollte ihren Stuhl einfach zum Rasen mit den Liegestühlen hinüber.
Beinahe gleichzeitig kletterte Ronny aus seinen Blue jeans, warf
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