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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Juckpulver in den Kragen geschüttet hat, ohne daß Sie es bemerkt haben.“
    „In Neapel reisen Taschendiebe auf den gleichen Dreh“, bemerkte Herr Latenser. Mit einem Glas in der Hand stand er ganz plötzlich da und blinzelte durch seine dicke Brille.
    Das Schiff tutete bereits zum zweiten Mal.
    „Ich bestehe darauf, daß die Polizei alarmiert wird!“
    „Das würde ziemlich lange dauern und schließlich doch nichts bringen“, erwiderte der Oberzahlmeister. „Dazu kommt, daß wir in einer Viertelstunde ablegen.“
    „Aber so was darf man sich doch nicht gefallen lassen“, sagte der Juwelier aus Düsseldorf empört.
    „Ich fürchte, im Augenblick bleibt uns nichts anderes übrig.“ Der Oberzahlmeister zuckte mit den Schultern. „Aber wir können über unsere hiesige Agentur eine Anzeige erstatten, wenn Sie wollen.“
    Er drehte sich jetzt zu den übrigen Passagieren um: „Wir müssen jetzt wieder an Bord, meine Damen und Herren.“
    Als die Finkbeiners und Wagners über die Gangway zum A-Deck wanderten, ging wieder einmal ein ganz leichtes Zittern durch das Schiff, und dann war das leise Pochen der Maschinen zu hören. Als einer der letzten Passagiere kam Mister Wilkinson an Bord. Kurz zuvor war noch Monsieur Prunelle aus einem Taxi geklettert.
    Das Schiffstyphon röhrte wieder, und die Bordkapelle spielte jetzt vom Sonnendeck herunter. Die Matrosen standen mit ihren gelben Lederhandschuhen an den Tauen bereit, und die Gangway wurde eingezogen.
    In diesem Augenblick kam ein alter amerikanischer Wagen in einer dicken Staubwolke vom Hafen her. Er stoppte aus voller Fahrt. Die Bremsen quietschten, und das ganze Auto bockte wie ein Pferd, das ein Hindernis verweigert. Gleichzeitig sprang ein schwarzhaariger jüngerer Mann mit einer perfekten Flanke über den Rand des offenen Wagens. Er war sehr schlank und blickte jetzt zur Kommandobrücke hinauf. Dabei konnte man in sein bartloses und blasses Gesicht sehen, soweit es nicht von einer besonders großen und dunklen Sonnenbrille verdeckt war.
    Die Gangway wurde noch einmal heruntergelassen, und kurz darauf kletterte der neue Passagier mit seinem Gepäck an Bord.
    „Haargenau der gleiche Film wie bei der Ausfahrt in New York“, stellte Herr Finkbeiner fest. „Nur daß der Hauptdarsteller ausgewechselt worden ist.“
    Der, von dem gerade die Rede war, betrat in diesem Augenblick die Reling. Der Oberzahlmeister hatte ihn erwartet, und ein Matrose kümmerte sich um sein Gepäck.
    „Ich muß um Entschuldigung bitten“, sagte der schwarzhaarige junge Mann. „Aber mein Taxi hatte einen kleinen Unfall. Mein Name ist Brown.“
    „Wir haben Sie erwartet, Mister Brown“, erwiderte der rundliche Oberzahlmeister.
    Ohne daß sie es wollten, hörten die Finkbeiners und Wagners bis zu dieser Stelle jedes Wort der Unterhaltung. Die beiden Männer standen nämlich ganz dicht neben ihnen.
    Aber jetzt sagte der Oberzahlmeister: „Ich werde Ihnen zuerst mal Ihre Kabine zeigen.“ Und dabei führte er den neuen Passagier aus der Hörweite der beiden Berliner Familien den Gang hinunter.
    Erst als die zwei Männer dann nebeneinander im Lift standen, sprach der Oberzahlmeister weiter: „Mister Palmer wollte Sie nicht vor allen Passagieren begrüßen, Inspektor. Niemand soll vorerst erfahren, daß Sie und er zusammengehören. Er schlägt deshalb vor, daß Sie sich nach dem Abendessen unbeobachtet am Rettungsboot X auf dem Sonnendeck treffen.“
    „Einverstanden“, sagte der Inspektor aus London.
    „Leider konnte ich nur eine Innenkabine im B-Deck für Sie freimachen“, bedauerte der Oberzahlmeister.
    „Ich reise ja nicht zum Vergnügen.“
    „Allerdings hat diese Kabine auch einen Vorteil.“ Der rundliche Offizier in seiner blütenweißen Uniform grinste. „Nur drei Türen weiter nach Achterdeck liegt die Dame vor Anker, derentwegen Sie so besorgt sind. Sie wohnen also mit dem Tresorraum beinahe Wand an Wand.“
    „Das kommt meiner Aufgabe tatsächlich entgegen“, entgegnete Inspektor Brown.
    Schon kurz darauf verließ das Schiff den Hafen und machte wieder volle Fahrt.
    Als die beiden Familien aus Berlin dann später frisch geduscht über den Korridor spazierten, wünschte ihnen der langhaarige Kabinensteward Horst guten Appetit. An der großen Glastür zum Speisesaal grinste der Page Axel Kannengießer und wollte wissen, wie es in Caracas gewesen sei.
    Am Tisch mit der Nummer 82 wartete das rosige Marzipangesicht von Herrn Rehbein, und als der Junge mit dem

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