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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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einmal Caracas sehen. Es war jetzt wie der Blick aus einem Flugzeug. Die Stadt lag schon im Gegenlicht der Abenddämmerung.
    Als die Bahn den Gipfel erreicht hatte, stand sie für einen kurzen Moment still. Dann kippte sie auf die andere Seite des Berges und senkte sich langsam der Küste zu.
    Die Passagiere mit den farbigen Bändern an ihren neuen Strohhüten hatten sich umgedreht und zielten mit ihren Fotoapparaten jetzt in die andere Richtung.
    „Da wären wir ja wieder“, bemerkte Herr Wagner.
    Dort, wo das Gebirge aufhörte, lag nämlich abermals das Karibische Meer mit dem Hafen und seinen Schiffen.
    Vom Ende der Seilbahn ging es wieder zu Fuß zum Hafen. Die engen Straßen waren jetzt genauso voll von Menschen wie in Caracas, und es war auch genauso laut.
    An der Gangway spielte die Bordkapelle zur Begrüßung, und auf ein paar Tischen warteten Fruchtsäfte, Tee und Drinks mit Rum zur ersten Erfrischung.
    Fast im gleichen Augenblick, als Herr Wagner mit den drei Jungen an der Pier eintrudelte, kam auch das Taxi mit Mrs. Fuller und dem Apothekerehepaar angefahren. Zugleich heulte das Schiffstyphon auf, und die schwarzhaarige Señora mit dem gelben Sonnenschirm kletterte wieder einmal auf eine Bananenkiste.
    „Hiermit möchte ich mich von Ihnen verabschieden“, sagte sie durch ihren Handlautsprecher. „Ich wünsche Ihnen weiterhin eine gute Reise.“
    Die Passagiere sagten „Danke“ oder „Merci“ oder „Thanks“ und klatschten in die Hände.
    „Polizei“, rief dazwischen eine Stimme. „Man muß sofort die Polizei alarmieren.“
    Gleich darauf stellte sich heraus, daß die Stimme dem Juwelier Schmidt mit dt gehörte. Er hatte seine Frau an der Hand und zog sie hinter sich her wie ein Kind, das nicht in die Schule will. Jetzt hatte er den dicklichen Oberzahlmeister entdeckt.
    „Sie müssen etwas unternehmen“, rief der Juwelier aus Düsseldorf aufgeregt. Sein Kopf war rot wie eine Tomate, und er schwitzte ungefähr so, als hätte er gerade fünfzig Liegestütze gemacht. „Man hat uns beraubt!“ Er blickte sich um, weil er vermutete, daß ihm diese Ungeheuerlichkeit doch niemand glauben würde. Er hatte sie ja selbst noch nicht begriffen. „Ja, es stimmt, man hat uns beraubt“, wiederholte er fassungslos.
    „Die Polizei muß her“, jammerte Frau Schmidt. „Oder es ist zu spät.“
    „Also, was ist passiert?“ fragte der Oberzahlmeister. „Bitte erzählen Sie der Reihe nach.“
    Am A-Deck war Mister Palmer aufmerksam geworden. Er beugte sich über die Reling und blickte durch sein Fernglas.
    Aber auch die übrigen Passagiere hatten jetzt die Ohren gespitzt und kamen näher.
    „Das ist schnell erzählt“, berichtete Herr Schmidt. „Wir schlendern gemütlich von der Seilbahnstation hierher, da kitzelt es mich auf einmal hier hinten.“ Er griff sich im Nacken mit dem ausgestreckten Zeigefinger in seinen Hemdkragen. „Zuerst denk’ ich mir nichts dabei, und wir schlendern weiter...“

    „Sie kratzen sich“, ergänzte der Oberzahlmeister, „aber das Prickeln hört nicht auf.“
    „Wieso wissen Sie?“ fragte der Juwelier verwundert. „Sie kratzen sich zum zweiten Mal“, fuhr der Oberzahlmeister fort, „und dann passiert es!“
    „Ja, da passiert es“, bestätigte Herr Schmidt aus Düsseldorf, „während ich wieder den Arm hochnehme und in meinen Kragen fasse, schießt so ein kaffeebrauner Bengel auf mich zu und will an meine Brieftasche.“
    „An die er ja in dem Augenblick leicht herankommt“, ergänzte der Oberzahlmeister wieder. „Aber es hört sich so an, als hätte der Bursche bei Ihnen kein Glück gehabt?“
    „Meine Frau hat ihn rechtzeitig entdeckt und brüllt ,Hugo !‘ erklärt der Juwelier. „Da ist er sofort wieder getürmt.“
    „Trotzdem hat man Sie beraubt?“ fragte Mrs. Fuller. „Wir hatten uns gerade vom ersten Schreck erholt“, berichtete Herr Schmidt weiter, „da stellte meine Frau fest, daß ihre Handtasche fehlt. Irgendein anderer Gauner hat die Verwirrung ausgenutzt. Oder der Angriff auf mich war nur ein Ablenkungsmanöver...“
    „Bitte überzeugen Sie sich selbst“, sagte die Frau des Juweliers aus Düsseldorf. Sie hielt ihre rechte Hand in die Luft und zeigte jedem, der es sehen wollte, einen Henkel aus Krokodilleder. „Man hat die Tasche einfach abgeschnitten“, stellte sie fest. „Ich kann es immer noch gar nicht fassen.“
    „Und angefangen hat die ganze Sache damit, Herr Schmidt“, meinte der Oberzahlmeister, „daß man Ihnen

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