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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Schließlich lag dicht daneben auch wieder der gelbe Handschuh.
    Monsieur Prunelle hing völlig verzweifelt in einem Sessel. Er starrte an die Decke, und seine Arme baumelten ins Leere. Etwa zehn Meter von ihm entfernt lag in einem anderen Sessel Inspektor Brown. Er streckte seine langen Beine von sich und spielte mit einer leeren Streichholzschachtel.
    Der Erste Offizier lehnte am Podium, auf dem die Notenständer und Stühle noch genauso herumstanden, wie die Bordkapelle sie verlassen hatte. Er rauchte eine Zigarette und blickte ziemlich verschlafen über die vielen leeren Tische.
    Im Gegensatz zu ihm war Mister Palmer hellwach. Er stapfte in seinem blau-rot gestreiften Morgenmantel wie ein angeschossener Elefantenbulle durch die Gegend und qualmte wie ein Schlot aus seiner Pfeife.
    „Unter diesen Umständen werden Sie es mir wohl verzeihen, wenn ich Ihre Nachtruhe gestört habe“, sagte er bereits zum zweiten Mal und spazierte dabei weiter auf der leeren Tanzfläche hin und her.
    „Was für ein Bubenstück“, jammerte der Museumsdirektor aus Paris. „Was für ein schändliches Bubenstück!“
    „Ach was“, knurrte Mister Palmer. „Sagen Sie mir lieber noch einmal, ob Sie wirklich ganz sicher sind, daß dieses Bild da eine Fälschung ist.“ Er war auf seinem Spaziergang jetzt vor dem Gemälde gelandet und paffte der Mona Lisa respektlos ein Wolke Pfeifenrauch ins Gesicht.
    „Noch nie in meinem Leben war ich einer Sache so sicher.“ Monsieur Prunelle stöhnte. Auch er hatte sich in der Eile nur seinen seidenen Morgenmantel über den Schlafanzug ziehen können. „Als wir vorhin im Tresorraum das Bild aus seiner Kiste geholt haben, brauchte ich nur den Rahmen zu sehen
    „Wieso, was ist mit dem Rahmen?“ fragte Mister Palmer.
    „Alles an ihm ist künstlich alt gemacht“, seufzte Monsieur Prunelle. „In Wirklichkeit ist das Ding so neu, wie Sie nur wollen. Das sieht doch jedes Kind.“
    Mister Palmer fuhr herum und nahm die Pfeife aus dem Mund: „Aber als heute abend das Licht wieder anging, haben Sie es nicht gesehen!“ schnauzte er. „Warum denn nicht, wenn es so einfach ist?“
    „Weil ich mit keinem Auge daran dachte, daß mit dem Bild etwas passiert sei“, seufzte der Direktor des Pariser Louvre. Tränen standen jetzt offenbar bevor, wenn sie nicht schon unterwegs waren.
    „Bitte, nehmen Sie sich doch zusammen“, sagte Inspektor Brown bittend. Dabei zerdrückte er jetzt krachend die leere Streichholzschachtel zwischen seinen Händen.
    Der Erste Offizier zuckte zusammen, und dann gähnte er. „Es tut mir leid, meine Herren, aber ich muß jetzt allmählich wieder in meine Kabine“, stellte er fest. „Man erwartet von mir, daß ich in vier Stunden einigermaßen ausgeschlafen zum Dienst erscheine. Ihre Mona Lisa hin, Ihre Mona Lisa her. Das Schiff ist sowieso nur für den Transport verantwortlich, und die Sicherheit ist nicht unser Bier. Wir sind keine Kriminalpolizei.“
    „Trotzdem bitte ich Sie, noch zehn Minuten zu bleiben, Herr...“
    „Rössler ist mein Name“, bemerkte der Erste Offizier in seiner weißen Uniform. „Also schön, auf eine Viertelstunde soll’s jetzt auch nicht mehr ankommen.“
    „Besten Dank, Herr Rössler“, sagte Mister Palmer. Dann wanderte er hinüber zu dem Museumsdirektor aus Paris. „Also zum letzten Mal, Monsieur Prunelle.“ Er blieb stehen und zeigte mit seiner Pfeife zur Staffelei. „Dieses Bild ist eine Fälschung, darauf schwören Sie Stein und Bein?“
    „Sie können damit die Fische füttern, wenn Sie wollen“, antwortete der Franzose. „Es ist nicht mehr wert als ein alter Hut.“
    „Und Sie könnten auch beschwören“, fragte Mister Palmer unbeirrt weiter, „daß wir heute abend zur Weihnachtsfeier das echte Gemälde in diesen Saal hereingebracht haben?“
    „Daran ist überhaupt nicht zu rütteln“, versicherte der Museumsdirektor. „Wie Sie sich vielleicht erinnern, sagte ich ein paar Worte zur Einführung. Dabei habe ich das Bild genau betrachtet. Zu diesem Zeitpunkt war es noch die echte Mona Lisa. Da gibt es gar keinen Zweifel.“
    „Dann ist vermutlich folgendes passiert“, sagte Mister Palmer. Er spazierte jetzt wieder nachdenklich über die Tanzfläche und paffte weiter kleine weiße Rauchwölkchen vor sich hin. „Das Licht im Saal geht aus. Ein ziemliches Durcheinander entsteht. Und in diesen acht oder zehn Sekunden verschwindet das Original von der Staffelei. Als dann das Licht wieder angeht, steht an seiner Stelle die

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