Der gelbe Handschuh
gefälschte Mona Lisa. Und niemand hat den Umtausch bemerkt.“ Er blieb stehen. „Glauben Sie, daß ein Kurzschluß die Ursache war?“
„Die Technik hier ist eine verdammt kitzlige Sache“, antwortete der Erste Offizier. „Wir können das erst untersuchen, wenn die Elektrowerkstatt wieder im Dienst ist. Bis dahin lasse ich von einem Matrosen die Sicherungskästen bewachen.“
„So weit, so gut.“ Mister Palmer nickte. Er wanderte jetzt an dem hellerleuchteten Weihnachtsbaum vorbei. „Es steht also wohl fest, daß wir seit der Einschiffung in New York eine Person an Bord haben, die von Anfang an hinter dem Bild her ist.“ Er blickte beim Gehen hinter einer Rauchwolke her. „So wie es aussieht, müssen wir sogar davon ausgehen, daß es sich um mehrere Personen handelt. Um Personen, die nicht unerfahren sind.“
„Wer weiß, wie lange der ganze Coup schon geplant war!“ stöhnte Monsieur Prunelle und ließ sich noch tiefer in seinen Sessel sinken. „Sie müssen ja mit dem gefälschten Gemälde schon an Bord gekommen sein.“
„Also schön“, fuhr Mister Palmer fort, ohne sich stören zu lassen. „Das Licht geht wieder an, und das Gemälde steht nach wie vor auf dieser Staffelei. Ein paar Passagiere betrachten es noch, und dann bringen wir es zurück ins B-Deck, packen es wieder in seine Kiste und verschließen es im Tresor. Das falsche Gemälde, wohlgemerkt. Aber das wissen wir noch nicht.“ Mister Palmer blieb stehen und blickte mit seinen himmelblauen Augen von einem zum anderen: „Das Original verschwindet inzwischen irgendwo hier auf diesem Schiff.“
„Wie eine Nadel im Heu“, stöhnte Monsieur Prunelle wieder.
Gelegentlich ging ein leichtes Zittern durch die Halle, und aus dem Maschinenraum war das Pochen der Turbinen zu hören.
„Und nun kommen wir dazu“, sagte Mister Palmer nach einer Weile. Er bückte sich und hob den gelben Lederhandschuh mit zwei gestreckten Fingern vom Boden auf. „Ist irgendwas Auffälliges an ihm?“
„Er ist ziemlich schmutzig“, stellte Inspektor Brown fest. „Ölflecke oder so was Ähnliches.“
„Ja, das ist sonderbar“, meinte der Erste Offizier namens Rössler. „Solche Handschuhe trägt unsere Schiffsbesatzung bei der Arbeit.“
„Stimmt“, sagte Mister Palmer. „Und ein paar Männer der Besatzung waren ja auch hier im Saal.“
„Aber ich sehe da keinen Zusammenhang“, bemerkte der Offizier in der weißen Uniform. „Jedenfalls hatte bestimmt keiner seine Arbeitshandschuhe dabei.“
„Trotzdem bitte ich Sie feststellen zu lassen, wem dieser Handschuh fehlt“, sagte Mister Palmer freundlich. „Das wird doch möglich sein?“
„Da sehe ich keine Schwierigkeiten“, meinte Herr Rössler. „Wir haben eine Kleiderkammer an Bord und registrieren genau, was rein- und rausgeht.“ Er mußte wieder gähnen. „Ich sollte mich jetzt wirklich aufs Ohr legen, meine Herren.“
„Da der Diebstahl sowieso nicht vertuscht werden kann, möchte ich den Passagieren die Wahrheit sagen“, meinte Mister Palmer. „Vielleicht haben sie Beobachtungen gemacht, die uns weiterhelfen.“
„Das kann Ihnen nur der Kapitän erlauben“, erwiderte der Erste Offizier.
„Und wenn wir anlegen“, fuhr Mister Palmer fort, „sollte uns eine gewisse Kontrolle möglich sein.“
„Auch das ist Sache des Kapitäns.“
„Gehen morgen irgendwelche Kisten oder Pakete von Bord?“ wollte jetzt Mister Palmer wissen.
„Nein, ich glaube nicht“, erwiderte Herr Rössler. „Was heißt hier Kisten und Kartons“, warf jetzt Inspektor Brown dazwischen. „Wenn jemand die Leinwand aus dem Rahmen schneidet, kann er sich das Gemälde wie ein Korsett um den Bauch binden und verschwindet damit, ohne daß wir es spitzkriegen.“
„Hören Sie auf!“ rief Monsieur Prunelle. „Das würde das Bild ja gar nicht aushalten. Schon wenn es aus dem Rahmen genommen würde, bräche es auseinander und wäre wertlos. Nein, das wäre barbarisch und ist absolut undenkbar.“
„Wann kann ich den Kapitän sprechen?“ fragte jetzt Mister Palmer.
„Er ist bestimmt ab sechs Uhr auf der Brücke“, erwiderte der Erste Offizier.
„Dann besten Dank, Herr Rössler“, sagte Mister Palmer. „Ich habe im Augenblick keine Fragen mehr.“
„Ich wünsche einen wunderschönen guten Morgen“, grinste der Erste Offizier. Er schaltete noch die elektrischen Kerzen am Weihnachtsbaum aus und trollte sich.
„Ich muß Paris benachrichtigen“, sagte Monsieur Prunelle und blickte plötzlich
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