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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Purzelbäume.“
    „Wenn das so ist, bitte ich Sie eben alle um Entschuldigung“, sagte Mrs. Fuller.
    Die Passagiere lachten und kletterten wieder von ihren Sesseln und Stühlen herunter. Dabei entdeckten sie jetzt erst, daß plötzlich ein junger Mann mit einer dunklen Sonnenbrille breitbeinig vor dem Bild der Mona Lisa stand. Er hatte die rechte Hand unter dem Jackett und blickte in den Saal, als stünde er vor einem Raubtierkäfig.
    „Das sieht ja aus wie ein Banküberfall“, entrüstete sich eine dicke Dame mit einer blau eingefärbten Perücke.
    Und ein Passagier aus dem Sonnendeck zielte mit dem Zeigefinger auf Mister Brown und rief: „Sie haben bestimmt eine Kanone unter ihrem Jackett, junger Mann. Nehmen Sie die Hand weg!“
    „Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig, meine Damen und Herren“, meldete sich jetzt Mister Palmer zu Wort. Er drängte sich dabei zusammen mit dem Oberzahlmeister durch die Passagiere zur Tanzfläche.
    „Mein Name ist Mike Palmer, und das hier ist Inspektor Brown. Wir sind von der Lloyd’s-Versicherung, London, und es ist unsere Aufgabe, die Mona Lisa unbeschädigt nach Puerto Rico zu bringen. Deshalb waren wir auch dagegen, daß dieses Gemälde heute abend hier ausgestellt wird. Und als vorhin das Licht ausging, mußten wir annehmen…“
    Jetzt erst begriffen die Passagiere allmählich, was eigentlich los war.
    „Um Himmels willen, dann haben Sie unter Umständen einen Diebstahl befürchtet?“ fragte jetzt wieder die Dame mit der Perücke. „Das wäre ja furchtbar gewesen.“
    „Genauso ist es, gnädige Frau.“ Mister Palmer lächelte höflich. „Aber da dem Bild nichts passiert ist, dürfen wir annehmen, daß der Kurzschluß in der Lichtleitung ganz einfach durch einen dummen Zufall zu erklären ist.“
    „Aber Sie hätten es für möglich gehalten“, jetzt lachte Mrs. Fuller, „daß sich jemand von uns in dem allgemeinen Durcheinander das Bild in die Tasche steckt.“
    „Bei der völligen Dunkelheit wäre die Gelegenheit jedenfalls sehr günstig gewesen.“
    Jetzt wollten sich die Passagiere kugeln vor Lachen. Es machte ihnen einen Heidenspaß, sich vorzustellen, wie sie mit dem Gemälde unter dem Arm in ihre Kabinen schlichen.
    „Was ist denn mit Ihnen passiert?“ fragte Frau Finkbeiner auf einmal durch das allgemeine Gelächter hindurch. „Sie haben ja plötzlich eine Beule am Kopf.“
    Herr Latenser drehte sich um und sagte: „Sieh mal an.“ Dabei holte er ein Taschentuch heraus. „Vielleicht bin ich in der Dunkelheit mit einem Ellenbogen oder einem Kronleuchter zusammengestoßen.“ Dabei grinste er.
    „Merkwürdig“, murmelte Mister Palmer, und dann forderte er Inspektor Brown auf, wieder in seinem Sessel Platz zu nehmen. Anschließend durften die Passagiere, die das Gemälde noch nicht aus der Nähe betrachtet hatten, das nachholen.
    „Es ist schon hinreißend“, sagte der Streichholzfabrikant, als er wieder an seinen Tisch zurückkam.
    „Es ist einmalig“, gab Mrs. Fuller zu.
    „Mich faszinieren diese Augen“, meinte Herr Latenser. Er ging jetzt schon zum zweiten Mal im Halbkreis um das Gemälde herum. „Sie verfolgen einen geradezu, ganz egal, wo man steht.“
    „Ja, davon spricht man in der ganzen Welt“, bemerkte Mister Palmer kurz angebunden, und dann gab er bekannt, daß die Mona Lisa jetzt wieder in ihrem Versteck verschwinden würde.
    Die drei Matrosen in ihren frischgebügelten Uniformen erschienen erneut auf der Tanzfläche und nahmen das Bild und die Staffelei mit.
    „Da liegt ja auf einmal ein Handschuh“, rief in diesem Augenblick Juwelier Schmidt mit dt aus Düsseldorf. „Ich fresse meinen Hut, wenn dieser Handschuh vorhin auch schon da gelegen haben soll.“
    Mister Palmer blickte zuerst zu Herrn Schmidt und dann zu dem gelben Lederhandschuh.
    Er lag ziemlich genau dort, wo bisher die Staffelei mit dem Bild gestanden hatte.
    Inzwischen trugen die Matrosen das Gemälde bereits wieder zum Ausgang. Der Erste Offizier marschierte ein paar Schritte voraus, und Inspektor Brown kam mit seiner dunklen Sonnenbrille hinterher. Der ganze Saal applaudierte wieder, die Bordkapelle spielte, und das Ganze machte den Eindruck, als würde ein siegreicher Boxer aus dem Ring getragen.
    Mister Palmer hatte die Gruppe unterdessen eingeholt. Aber plötzlich blieb er stehen und bekam eine senkrechte Falte auf die Stirn; dann flitzte er zur Tanzfläche zurück. Da die Passagiere zur Mona Lisa hinüberklatschten, bemerkten sie gar nicht, wie

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