Der gelbe Handschuh
Finkbeiner dazwischen, „weil in richtigen Kriminalromanen die Unschuldigsten hinterher immer die Täter sind.“
„Mein Liebes“, sagte ihr Mann, „du bist nicht mit dem nötigen Ernst bei der Sache.“
„Weil ich diese ganze Detektivspielerei nicht begreife“, erwiderte Frau Finkbeiner. Sie setzte sich jetzt aufrecht in ihren Liegestuhl. „Wer diese Mona Lisa geklaut hat, kann uns doch vollkommen egal sein. Wir haben Ferien und damit basta! In Berlin haben die jetzt Schneematsch und kalte Füße. Da sollten wir aufpassen, daß uns hier keine einzige Minute verlorengeht.“
„Eigentlich hast du recht“, sagte Herr Finkbeiner. Er drückte seine Zigarre aus, sprang auf und streckte die Arme aus. „Was haltet ihr davon, wenn wir uns den Wellen zum Fraß vorwerfen?“
Eine Viertelstunde später schrie Ulli, als er gerade mal wieder aus dem Wasser auftauchte: „Ich will ja unseren Grunewaldsee in Berlin nicht beleidigen, aber gegen den Atlantischen Ozean ist er höchstens ’ne Badewanne.“
„Was hast du gesagt?“ brüllte Peter durch die Brandung zurück.
„Du hast wohl Bohnen in den Ohren“, rief Ulli zurück, und dann schlug es wieder einmal wie Seifenschaum oder Schlagsahne über ihm zusammen.
Sie ließen sich von den Wellen überrollen, tauchten unter ihnen durch oder sprangen über sie hinweg.
Etwa zur selben Zeit kam auf dem Schiff Mister Palmer zusammen mit Inspektor Brown zum Lift im A-Deck. Sie hatten gerade der Wäscherei einen längeren Besuch abgestattet und fuhren jetzt zum Hauptdeck hinauf. Das Schiff machte Mittagspause. Die meisten Passagiere waren an Land, und die übrigen hatten sich aufs Ohr gelegt.
Die beiden schneeweißen Barkassen ankerten dicht neben der Schiffswand und schwappten leer auf dem Wasser hin und her. Im Augenblick gab es also keine Verbindung vom Schiff zum Hafen, und die Herren Palmer und Brown konnten sich etwas Zeit lassen.
„Herr Latenser hat die Kabine 154“, sagte der Steward, der für diesen Teil des Hauptdecks zuständig war.
„Ja, das ist uns bekannt“, sagte Mister Palmer. „Würden Sie bitte aufschließen?“
„Aber nur weil es der Oberzahlmeister erlaubt hat“, erwiderte der Steward. „Ich lasse Sie fünf Minuten allein und weiß von nichts.“
„Das ist eine blendende Idee“, meinte Mister Palmer, und dann blickte er sich gemeinsam mit seinem Begleiter in der Kabine um.
„Das Schiff hat rund vierhundert Kabinen. Von den übrigen Räumen gar nicht zu sprechen“, sagte Inspektor Brown. Dabei schob er die Gardinen auf die Seite und schlug dann die Bettdecke auf. „Um alles auf den Kopf zu stellen, bräuchten wir ein paar Tage Zeit und wenigstens ein halbes Hundert Polizisten.“
„Das ist mir auch klar“, knurrte Mister Palmer. „Deshalb interessiert mich unter den Passagieren vorerst auch nur, wer sich verdächtig gemacht hat.“
Er durchsuchte jetzt den Kleiderschrank. „Dieser Herr Latenser stand direkt vor dem Bild, als das Licht ausging, und hatte hinterher plötzlich eine Beule am Kopf. Das gibt jedenfalls zu denken.“
„Leere Whiskyflaschen, weiter nichts“, sagte Inspektor Brown. Er hatte sich inzwischen auf den Boden gekniet und unter das Bett geblickt.
Die Finkbeiners und Wagners waren mit ihren Gästen inzwischen wieder aus dem Ozean geklettert. Dabei stellten sie fest, daß die Brandung sie fast zweihundert Meter abgetrieben hatte.
„Im Laufschritt“, kommandierte Apotheker Finkbeiner, und dann trabten sie gemeinsam zu den Liegestühlen und Handtüchern zurück.
Unterwegs blieb der flachsblonde Page aus dem Speisesaal auf einmal stehen. Er pfiff durch die Zähne und sagte: „Sieh mal an, wie klein die Welt ist.“
„Nicht die Welt“, korrigierte Chang Lie und lächelte dabei. „Die Insel ist klein.“
Er hockte zusammen mit seinem jüngeren Bruder und ein paar Chinesen im Schatten einer Palme im Sand. Sie aßen aus vielen kleinen Töpfen, die über einem Feuer hingen, und tranken Reiswein dazu. Aus dem Radio kam Calypso-Musik.
„Meine beiden Retter!“ trompetete Ulli in seiner himmelblauen Badehose. Dabei nahm er die rechte Hand vors Herz und verbeugte sich.
„Spaß beiseite“, sagte jetzt Herr Wagner. „Ich bin der Vater dieses Unglücksraben, und ich möchte mich bedanken.“ Danach stellte er noch das Ehepaar Finkbeiner vor.
„Wollen Sie ein Glas Reiswein mit uns trinken?“ fragte Chang Lie.
„Das sollten Sie nicht ausschlagen“, sagte Herr Latenser und blinzelte dabei durch seine
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