Der gelbe Handschuh
Junge mit der Stubsnase.
Der Himmel war voller Sterne, das Wasser rauschte am Schiff vorbei, und die Maschinen pochten gleichmäßig wie immer. Auf dem ganzen Deck war weit und breit kein Mensch. Bis jetzt am hinteren Schornstein ein Schatten auftauchte. Gleich danach glühte eine Zigarette.
Axel Kannengießer pfiff ganz leise durch die Zähne. „Das ist das Zeichen, daß die Luft rein ist.“ Und hinterher meinte er: „Man kann nie vorsichtig genug sein.“ Jetzt bummelten die Detektive quer über das Deck wie Passagiere, die sich nach dem Essen noch die Füße vertreten wollen.
Im Schatten des hinteren Schornsteins stand dann plötzlich der jüngere Bruder von Chang Lie vor ihnen. Er hatte nur eine Hose und ein Hemd an.
„Wir sollen vorerst alle in der Wäscherei oder in unseren Kabinen bleiben, hat man uns gesagt. Ich muß also gleich wieder zurück.“
„Was ist mit Ihrem Bruder?“ fragte der Apotheker Finkbeiner.
„Er wird immer noch verhört“, sagte Huang Ku besorgt. „Wir wissen überhaupt nicht, was los ist.“ Er nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette und warf sie dann über Bord. „Als wir an Land waren, kam auf einmal dieser Mister Palmer mit dem Inspektor aus London in die Wäscherei. Sie haben alles durchsucht und auf den Kopf gestellt, aber sie haben nichts gefunden. Und am Abend, als wir zurückgekommen sind, haben sie dann meinen Bruder
„Wir haben danebengestanden“, unterbrach Ulli Wagner. „Wir wissen Bescheid.“
„Haben Sie irgendeine Ahnung?“ fragte jetzt Herr Finkbeiner. „Ich meine, wissen Sie irgendeinen Grund?“
„Ich weiß überhaupt nichts, das ist es ja“, sagte der junge Chinese. „Aber vielleicht können Sie irgend etwas in Erfahrung bringen? Sie hören doch, was man an Bord redet, und Sie waren so freundlich zu uns.“ Huang Ku blickte von einem zum anderen, und dann sagte er ganz schnell: „Besten Dank.“ Damit verschwand er lautlos im Dunkeln.
„Eine dumme Geschichte“, meinte Herr Wagner nach einer Weile, und dann schlenderten sie wieder über das offene Deck zurück. „Bisher konnte uns das gestohlene Gemälde ja wirklich schnurzpiepegal sein. Aber jetzt „Jedenfalls ist Chang Lie nicht der Dieb“, behauptete Ulli Wagner. „Da fress’ ich einen Besen!“
„Zuerst müssen wir rauskriegen, was ihn verdächtig gemacht hat“, sagte der Bürstenhaarschnitt.
„Das ist mir ganz egal“, meinte Ulli Wagner. „Eine Hand wäscht die andere, und deshalb müssen wir ihm helfen, damit basta!“
„Wenigstens sollten wir es versuchen“, sagte der Apotheker Finkbeiner nachdenklich.
Zwei Decks tiefer fragte Mister Palmer mittlerweile schon zum siebenundzwanzigstenmal: „Das ist doch Ihr Handschuh?“
„Ja, das ist mein Handschuh“, antwortete der Chinese Chang Lie ein wenig müde und ärgerlich. Er saß auf einem Stuhl, und zwischen ihm und Mister Palmer stand ein Schreibtisch. Auf diesem Schreibtisch lagen im Licht einer Taschenlampe zwei gelbe, ölverschmutzte Lederhandschuhe mit groben Nähten. Handschuhe, wie sie die Besatzung an Bord zur Arbeit benutzte.
„Den einen haben wir heute mittag in Ihrer Wäscherei gefunden“, stellte Mister Palmer fest. „Und der andere lag wie vom Himmel gefallen neben dem Gemälde, als das Licht wieder anging.“
Mister Palmer nahm einen Zug aus seiner Pfeife. „Beide Handschuhe gleichen sich wie Zwillinge, wenn man sie nebeneinander legt. Sie haben auch innen von der Kleiderkammer die gleiche Nummer eingestempelt.“
„Ich bestreite ja gar nicht, daß es meine Handschuhe sind“, erwiderte der Obermax aus der Wäscherei.
„Aber Sie bestreiten zu wissen“, fuhr Mister Palmer fort, und seine Stimme wurde laut dabei, „wie dieser eine Handschuh auf die Tanzfläche in der Europa-Halle gekommen ist.“ Er blickte durchs Bullauge und paffte eine Wolke Zigarrenrauch vor sich hin. Dann drehte er sich blitzschnell um: „Glauben Sie an Wunder, Herr Chang Lie?“
„Die Wahrheit ist, daß ich Ihnen nichts dazu sagen kann“, erklärte der Chinese. „Ich weiß es wirklich nicht.“
Inspektor Brown saß in einer Sofaecke und betrachtete aufmerksam seine Fingernägel.
Vom Ersten Offizier hingen nur ein Mantel und eine Mütze über dem Kleiderhaken an der Tür.
„Aber Sie waren doch bei der Weihnachtsfeier im Saal?“ fragte jetzt Mister Palmer.
„Weil ein paar Matrosen gesungen haben, mit denen wir befreundet sind, und da wollten wir dabei sein“, antwortete Chang Lie. „Aber wir waren immer in
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